Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
reicht, zentral geregelt und normiert werden .«
Nun könnte man dagegen einwenden, dass eine Gesellschaft, die drauf und dran ist, sich demokratisch » zu Tode zu amüsieren «, in der die Kevins und Jessicas » BMW für eine deutsche Automarke halten, die mit A beginnt« , wahrscheinlich einigen Grund hat, sich als eine Art milde, aber unerbittliche, soziale Besserungsanstalt zu organisieren.
All jene, die nicht wirklich dieser systematischen Bevormundung bedürfen, weil sie es vorziehen, ihr Leben frei und selbstbestimmt zu gestalten und zu organisieren und auch bereit sind, dafür die entsprechenden Risiken zu tragen, haben wohl einfach Pech gehabt.
Reservate des freiheitlichen Individualismus sieht die Prolokratie nämlich nicht vor: » Demokratie heißt, jedermanns Sklave sein zu dürfen.« (Karl Kraus)
VII. Glücklich, aber undemokratisch –oder: Was, wenn die Mehrheit jemanden steinigen will?
I m Jahr 1992, also drei Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der anschließenden Implosion des Kommunismus in Osteuropa und der Sowjetunion, erschien in den USA ein schmales Buch, dessen zentrale These damals ebenso brillant wie überzeugend schien. Sie lautete » Das Ende der Geschichte «.
Dieses sei mehr oder weniger erreicht worden, so sein Autor Francis Fukuyama, weil nach dem Fall des Kommunismus auch der Wettbewerb der politischen Betriebssysteme ein für alle Mal entschieden sei. Und zwar zugunsten der liberalen Demokratie nach westlichem Muster, eng verbunden mit Rechtsstaat und freier Marktwirtschaft.
Früher oder später, so Fukuyamas überzeugend klingendes Argument, würden alle Völker der Welt diese Regierungsform übernehmen. Und zwar schlicht und ergreifend, weil sie sich als die beste und allen Alternativen haushoch überlegene erwiesen hat.
Das Ende der Geschichte eben.
Jetzt, zwanzig Jahre später, wirkt die These Fukuyamas nicht mehr wirklich valid. Dass tatsächlich die überwältigende Mehrheit der Bewohner dieses Planeten die westliche Demokratie für die erstrebenswerteste aller Regierungsformen hält, glauben vor allem die Bewohner der westlichen Demokratien.
Daneben existieren freilich eine ganze Reihe anderer politischer Betriebssysteme, die möglicherweise noch sehr lange, vielleicht gar auf unbestimmte Zeit, keine Anstalten machen werden, sich zur Demokratie, wie wir sie kennen, bekehren zu lassen. Ganz im Gegenteil: Wenn es blöd läuft, hat der globale Demokratisierungsprozess seine besten Zeiten schon wieder hinter sich. Peak Democracy, sozusagen. » Wir dachten, die Demokratie sei der Endpunkt menschlicher Entwicklung «, fürchtet der Zukunftsforscher Dennis Meadows. » Stattdessen spüren wir die ersten Erschütterungen eines Erdbebens. Vielleicht hört das Beben damit schon auf, vielleicht zerstört es auch alles um uns herum .«
Ganz besonders jenes bei uns vorherrschende Modell der Demokratie, in der eher leistungsfeindliche Mehrheiten das Kommando übernommen haben und sich hauptsächlich mit der Errichtung von Schuldengebirgen beschäftigen, um die Massen bei Laune zu halten, ist kein wirklicher Exportschlager.
Stattdessen gewinnen andere Modelle an Terrain. Da ist etwa der Fall China. Gelenkt von einer sich kommunistisch nennenden, de facto aber konfuzianistisch-nationalistisch-technokratischen Staatspartei, hat sich China in den vergangenen Jahrzehnten zum weltweit größten Produzenten von Wohlstand entwickelt. Hunderte Millionen Menschen gelang dadurch der Aufstieg aus der bittersten Armut. Man muss kein Freund der chinesischen »Kommunisten« sein, um dieser Leistung nicht einen gewissen Respekt zu zollen.
Geschafft hat dieses beeindruckende Wirtschaftswunder keine Demokratie, sondern eine lupenreine Diktatur. Es lässt sich zwar empirisch nicht beweisen, aber es dürfte sich dabei durchaus um eine Art »legitimierter Diktatur« handeln. Legitimiert ist sie durch eine relativ hohe Zufriedenheit der Bevölkerung, die den wirtschaftlichen Erfolg ihrer Regierung mit einer gewissen politischen Duldsamkeit honoriert. Wer China einigermaßen kennt, wird vermuten müssen, dass die regierende Staatspartei auch im Falle freier Wahlen die Mehrheit der Stimmen bekommen würde. So lange es der Regierung gelingt, steigenden Wohlstand für die meisten Chinesen zu organisieren, wird sich an dieser Spielart politischer Legitimation wohl auch kaum etwas ändern.
Ähnliches haben die Regierungen anderer asiatischer Tigerländer geschafft. Auch in Singapur ist
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