Prolokratie: Demokratisch in die Pleite (German Edition)
es einem autoritären Familienclan gelungen, aus einem sumpfigen Stück Land ohne Ressourcen einen der wohlhabendsten Stadtstaaten der Welt zu formen, und zwar ohne Demokratie, aber dafür mit hoher Zustimmung und Akzeptanz der Bevölkerung.
Ganz offensichtlich, und das ist ein etwas verstörender Gedanke für jeden in einer westlichen Demokratie sozialisierten Menschen, ist ein stabiles, von der Mehrheit der Bevölkerung akzeptiertes und getragenes Gemeinwesen nicht nur auf demokratischem Wege zustande zu bringen. Dass dies kein asiatisches Spezifikum ist, zeigt auf der arabischen Halbinsel das Sultanat Oman, dessen Herrscher Quabus zwar von Demokratie nichts hält, sein Land aber klug führt und deshalb von der Mehrheit der Bevölkerung als legitimer Chef akzeptiert wird.
Auch der sogenannte »Arabische Frühling« hat drastisch gezeigt, dass in vielen Teilen der Welt der Begriff »Demokratie« eher als Chiffre für »Gute Regierung« verstanden wird, denn als liberale Demokratie nach westlichem Vorbild. » Schlecht regiert werden, das wollten die Menschen nie. Die Frage ist, ob sie wirklich Demokratie wollen oder nur eine bessere Regierung ;« meint dazu treffend der amerikanische Historiker Mark Lilla, »… Die einzigen Worte, die uns dafür zur Beschreibung zur Verfügung stehen, sind allerdings ›Demokratie‹ und ›Rechte‹. Sobald man aber bei jemandem nachfragt, der Demokratie fordert, ob das dann auch heißen würde, dass Frauen und Kinder Rechte haben und sich wehren können, sieht die Sache schon wieder anders aus. Eine der großen Lehren unserer Zeit – speziell auch des arabischen Frühlings – ist es, dass viele Leute keine Demokratie wollen, jedenfalls nicht in einem strengen Sinn. Sie wollen besser regiert werden und autonom handeln können, sie wollen mehr Transparenz. Aber sie wollen keine individualistische, demokratische Welt, wie wir sie im Westen haben. Das kann sich vielleicht ändern, wer weiß. Aber in der Zwischenzeit müssen wir uns überlegen, wie wir die Dinge im Kleinen verändern können. Denn Demokratisierung durch Wahlen vorantreiben zu wollen, führt oft nur zur nächsten Gewaltherrschaft. Jemand gewinnt und hält anschließend keine Wahlen mehr ab. Das passiert laufend in Afrika. Aber wir lernen nichts daraus .« (zit. »Der Standard«, 18.Mai 2012)
Entwickeln sich, was zu befürchten ist, die westlichen Demokratien in den kommenden Jahren weiter zu überregulierten, hochbesteuerten und hochverschuldeten Zonen abnehmenden Wohlstandes, also zu einer Art DDR 2.0 mit guter Menschenrechtslage, während die asiatischen Diktaturen, weiter ganz kapitalistisch getrieben, boomen, könnte daraus glatt ein regelrechter Systemwettbewerb entstehen. Dann werden nämlich auch in Europa Politiker auftauchen, die von den Vorzügen und der Effizienz politischer Systeme schwärmen, in denen »starke Männer« und nicht parlamentarische »Quatschbuden« das Sagen haben. Die Demokratie hätte sich dann buchstäblich im Sinne von Neil Postman »zu Tode amüsiert« .
Derartige autoritäre, politische Angebote könnten in Europa durchaus auf fruchtbaren Boden fallen, zumal ja auch innerhalb demokratischer Staaten nicht-demokratische Formen der Herrschaftsausübung durchaus erfolgreich und damit indirekt legitimiert sein können.
In Österreich lenkte etwa jahrzehntelang eine höchst informelle Allianz von Arbeitgebervertretern und Arbeitnehmervertretern unter der Bezeichnung »Sozialpartnerschaft« erfolgreich, aber ohne jegliche demokratische Legitimation als eine Art Schattenregierung, die wirtschaftlichen Geschicke der Republik. Einem vom Mars angereisten Korrespondenten erschiene diese Art des Regierens wohl höchst undemokratisch. Die Österreicher und Österreicherinnen hingegen empfanden diesen diskreten außerparlamentarischen Interessenabtausch hingegen mehrheitlich als günstige Errungenschaft, nicht zuletzt wegen des damit geschaffenen Wirtschaftswachstums.
Zu meinen, die von ihren eigenen Unzulänglichkeiten geschwächte Demokratie würde künftig Attacken autoritärer Politiker ohne weiteres unbeschadet überstehen, ist reichlich naiv. Denn schon heute ist das Bekenntnis der Bevölkerung zu dieser Regierungsform nicht mehr so überwältigend, wie man angesichts ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Alternativlosigkeit glauben könnte.
Denn die demokratischen Institutionen sind, wohl nicht zuletzt aufgrund ihrer Neigung zum Verschuldungsexzess und allen damit verbundenen
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