Promenadendeck
Brocken drunter! Übrigens mein Beileid, Herr Kapitän!«
»Wozu?« Teyendorf sah Dabrowski mißtrauisch an.
»Ihr künftiger Kapitänstisch! Zwei Vorstandsmitglieder Ihrer Reederei mit ihren Damen kommen an Bord. Das wird ein trockener Kapitänstisch!«
»Erinnern Sie mich nicht daran.« Teyendorf zog eine saure Miene. »Ich habe noch zwei Plätze frei. Wie wär's mit Ihnen und Ihrer reizenden Beate?«
»O Gott, nein!« Dabrowski hob beide Hände. »Es ehrt uns natürlich, aber ich bin hier als Blinder. Das ist schwer genug … und dann noch zwei vom Vorstand? Bitte nicht! Ein klein wenig Erholung möchte ich doch mitnehmen.«
Zum erstenmal erlebte es Dabrowski, daß Teyendorf herzlich und aus voller Kehle lachen konnte. Er ist ein Pfundsbursche, dachte er, und nicht nur zackig. Aber vielleicht muß man so souverän sein, um solch ein Schiff führen zu können. Sieh dir den Kapitän an, und du weißt, wie das Schiff ist.
Die Abfahrt am nächsten Nachmittag war nicht nur ein Abschied von Südamerika, sondern auch der Abschied vom festen Kontinent. Was jetzt kam, war die unvorstellbare Weite des Pazifik, die Südsee mit ihren Inseln und dem vielbesungenen Zauber einer wunderbaren Landschaft und schönen Menschen, mit wahrgewordenen Träumen, greifbaren Illusionen. Tausende von Kilometern Wasser würden durchpflügt werden, über Meerestiefen hinweg, deren Maß schon unheimlich klang. Man würde Korallenriffe sehen, filigranartige Inseln mit stillen, grünblauen Lagunen und in den Wind gebogenen Palmenwäldern, Auslegerboote der Polynesier und zauberhafte kleine Inselstädtchen, meistens beherrscht vom einzigen Händler an Land, dem Besitzer des ›Kaufhauses‹ – und das waren fast ohne Ausnahme Chinesen. Die Luft würde erfüllt sein vom süßlich-schweren Duft der Frangipaniblüten, und der Gesang der hübschen Eingeborenenmädchen und ihr Tanz, der Tamuree, würde die lauen Nächte nie mehr vergessen lassen. Moorea, Bora-Bora, Niué'alofa, Ahu Tahai, Ranu Raraku, Hakupu, Pangai Motu … allein die Namen schon waren wie eine zärtliche, betäubende Musik.
Wer nie eine Seefahrt unternommen hat, weiß nicht, daß das die faszinierendste Art einer Reise ist. Sie ist mit nichts vergleichbar. Allein das Erlebnis des weltenweiten Meeres, an dessen Horizont dann eine Insel auftaucht mit weißem Korallenstrand und majestätischen Palmen, brennt sich in das Herz ein. Man kann ein Paradies umarmen; ein Paradies allerdings nur zum Ansehen und mit manchen Gefahren. Ein durchgebrochener Blinddarm etwa kann den sicheren Tod bedeuten; denn bis von der nächsten großen Insel, die einen Arzt und ein Hospital besitzt, der über Funk alarmierte Hubschrauber den Kranken abholt, wird es oft zu spät sein. Und wenn wir von einem sicheren großen Schiff hinüberblicken auf den Traum unserer Jugend, auf Südseezauber, Sonne, blaues Meer, die Lagune, auf Kormorane und Korallenbänke, bunte Fischschwärme und friedliche Strände aus weißem Korallensand – denkt niemand an die rasenden Taifune, die jedes Jahr mit vernichtender Macht über dieses Paradies brausen!
Eine neue Welt auf dem Meer erobern, das ist mehr als eine Reise!
Während die Atlantis von Valparaiso aus Kurs auf die Osterinsel nahm, vorbei an der Insel Juan Fernandez – auf der Robinson gelebt haben soll, der britische Matrose Alexander Selkirk –, saß Sylvia wieder am Bett ihres Mannes, um die sorgenvolle Ehefrau zu spielen.
Mit Knut de Jongh ging es weiterhin aufwärts, obwohl das Fieber noch nicht völlig besiegt war und er sich merkwürdig schwach fühlte. Meistens schlief er; doch sobald er erwachte, drangsalierte er Schwester Erna und verlangte ein kaltes Bier mit der Drohung, er werde sonst aus diesem Gefängnis hier ausbrechen und an der Bar ein Faß leersaufen. Worauf die Schwester ungerührt zu antworten pflegte: »Gut, daß ich das weiß. Dann binde ich Sie jeden Abend ans Bett fest. Mit mir machen Sie solchen Spuk nicht!«
»Du siehst blaß aus«, sagte de Jongh jetzt und hielt Sylvias Hand fest. »Fühlst du dich nicht wohl?«
»Wie soll ich mich wohl fühlen, wenn du gerade erst ganz nah am Tod vorbeigekommen bist?« Es klang sehr fürsorglich und liebevoll, aber es stimmte schon, daß die Müdigkeit sie niederdrückte. Für sie war die Nacht nicht mehr zum Schlafen, sondern nur noch für die Liebe da; in Fehringers Armen vergaß sie Zeit und Raum, war nur noch Gefühl und Leidenschaft, nur noch Hingabe und Verströmen. Die wenigen Stunden, die
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