Promenadendeck
spielte nun stundenlang Skat. Das Ehepaar Dr. Schwarme quälte sich in vertrauter Manier. Voll beschäftigt war François de Angeli; er flirtete mit allen halbwegs schönen Frauen an Bord und hatte schon viermal von empörten Ehemännern Ohrfeigen angedroht bekommen.
Im Sieben-Meere-Saal fanden nun jeden Abend Feste statt. Ein Kostümball, eine Zauberschau, ein Abend ›Schlager aus aller Welt‹. Entertainer Hanno Holletitz hatte seine große Zeit, und Cruisedirektor Manni Flesch, für die gesamte Unterhaltung an Bord verantwortlich, entwickelte sich zum Schwerarbeiter. Die große Kultur wich in die Olympia-Bar aus: ein Cellokonzert, ein Klavierkonzert, ein Streichquartett und ein Liederabend von Rieti mit Liedern von Hugo Wolf und Richard Strauss. Im Kino las der als Ehrengast eingeflogene Schriftsteller Erman Schmied – im täglichen Leben laut Geburtsschein Hermann Schmitz – aus eigenen Werken und bekam viel Applaus, weil es ja Kultur war, auch wenn man sie nicht mochte. Und auf den Veranden hatten sich Bastelgruppen zusammengefunden, stellten Puppen her, Glasätzereien, Tonmodelle oder malten Aquarelle und bäuerliche hölzerne Votivtafeln. Auf den Decks tummelten sich die Sportler mit Shuffleboard und Tischtennis, mit Schwimmwettbewerben und Tontaubenschießen. Am beliebtesten aber war das Dösen im Liegestuhl, neben sich einen eiskalten tropischen Drink aus der Außenbar, ein Buch in den Händen und voller Erwartung auf Mittag- oder Abendessen.
Wenige Stunden vor der Ankunft an der Osterinsel baten drei Herren um eine Audienz bei Kapitän Teyendorf. Auch Dr. Schwarme war unter ihnen, und sie ließen durch den I. Offizier Kempen ausrichten, sie kämen im Auftrag einer größeren Anzahl von Passagieren.
»Was ist denn nun schon wieder los?« fragte Teyendorf seinen Hoteldirektor Riemke. »Haben Sie eine Ahnung? War das Essen schlecht, ist der Service zu beanstanden?«
»Keine Ahnung, Herr Kapitän. Die Herren sind auf jeden Fall sehr erregt und wollen ihr Problem nicht mit mir, sondern nur mit Ihnen besprechen.«
»Also gut. Sollen sie.«
Wenig später saßen die drei Herren dem Kapitän gegenüber. Teyendorf hatte noch schnell in der Passagierliste nachgesehen. Dr. Schwarme kannte er, der zweite Gast war Direktor einer bekannten Maschinenfabrik, der dritte Physiker in einem halbstaatlichen Institut für Weltraumforschung.
»Beginnen wir ohne Umschweife, Herr Kapitän«, sagte Dr. Schwarme. »Sie bekommen das nicht so mit, es ist auch nicht Ihre Aufgabe, aber die Dinge haben ein solches Ausmaß erreicht, daß der Kapitän eingreifen muß! Dieser Herr de Angeli belästigt unsere Frauen in einer geradezu schamlosen Weise. Wir sprechen hier im Namen von neunzehn wütenden Ehemännern. Was sich dieser Herr leistet – unverschämt! Uns ist bekannt, daß er mindestens sieben Damen einen eindeutigen Antrag machte.«
»Das ist nun wirklich nicht Sache des Kapitäns.« Teyendorf blickte die drei wütenden Herren etwas abweisend an. »Das ist ja wohl eine reine Privatsache zwischen Ihnen, Ihren Gattinnen und Herrn de Angeli.«
»Nicht mehr! Der Frieden auf dem Schiff ist nachhaltig gestört, und wir haben mit unserem teuren Geld das Recht auf Erholung erworben, das Recht auf eine schöne Kreuzfahrt, auf erfreuliche Tage, und das heißt: ohne den Sexualterror eines einzelnen Flegels.« Dr. Schwarme kam in Fahrt; im Plädoyer war er schon immer gut gewesen und ein gefürchteter Gegner des Staatsanwalts. Nur Teyendorf schien er nicht zu beeindrucken.
»Trotzdem, meine Herren: Das betrifft Ihre Intimsphäre, nicht mein Schiff.«
»Sie befinden sich da in einem Irrtum, Herr Kapitän.« Der Physiker zog an seinen Fingern, daß die Gelenke knackten. »Die Empörung unter den betroffenen Herren ist so groß, daß niemand mehr dafür garantieren kann, ob es an Bord nicht vielleicht zu einer Körperverletzung kommt … gelinde ausgedrückt.«
»Das heißt: Sie wollen Herrn de Angeli verdreschen?« sagte Teyendorf deutlich. »Das würde ich zwar verurteilen, aber ich vermag es kaum zu verhindern. Ich kann doch nicht zu Herrn de Angeli hingehen und zu ihm sagen: ›Mein Bester, lassen Sie die Finger von anderen Frauen!‹«
»Warum nicht?«
»Weil er dann das Recht hätte, den Kapitän aus der Kabine zu werfen.«
»Sagen wir es anders.« Der Physiker blickte an Teyendorf vorbei an die Wand. Dort hing ein Gemälde: Sturm am Kap Hoorn. »Es könnte sein, daß Herrn de Angeli hier an Bord etwas zustößt.«
»Danke.
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