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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sie dann an Deck im Liegestuhl dahindöste, waren kein Ersatz für den verlorenen Schlaf. Fast unbegreiflich erschien ihr dagegen die Frische von Fehringer, an dem die wildesten Nächte anscheinend spurlos vorbeigingen. Sie bewunderte ihn immer mehr und seufzte einmal erschöpft: »So einen Mann wie dich gibt es nie wieder …« Welcher Mann hört so etwas nicht gern!
    »Hast du dir Santiago angesehen?« fragte de Jongh. Die Liebe seiner Frau rührte ihn. Sie war die einzige, die seine rauhe Schale durchdringen konnte und dann einen völlig anderen de Jongh erlebte. Ein Gemüt, das sie kneten konnte wie Plastikgummi.
    »Nein«, antwortete sie kurz.
    »Warum denn nicht? Wenn ich schon hier vegetieren muß, hättest du für uns ein paar schöne Fotos machen können.«
    Warum, warum? dachte sie und sah de Jongh mit umflorten Augen an. Weil ich mit Hans im Bett lag, du Idiot! Das Schiff war fast leer, und wir sind den ganzen Tag nicht voneinander losgekommen. Es war wie ein halber Tod, aber es war unbeschreiblich schön.
    »Ich habe Postkarten von Santiago und Valparaiso gekauft.«
    »Wenigstens etwas.«
    »Was sagt Dr. Paterna? Wie lange mußt du noch liegen?«
    »Keine Ahnung, Liebling. Wahrscheinlich, bis die verdammte Schwäche überwunden ist. Das war'n Ding gestern abend. Jetzt willst du's wissen, habe ich mir gesagt. Jetzt gehst du nebenan auf den Lokus und pinkelst nicht mehr in die dämliche Glasflasche. Ich also raus aus dem Bett … und nach zwei Schritten knalle ich zusammen und falle gegen die Wand. Die Beine knickten mir einfach weg, als gehörten sie mir gar nicht. Und was sagt Dr. Paterna heute morgen? ›Nur weiter so, Sie Dickkopf! Sie bekommen sich noch unter die Erde! Aber keine Vorfreude! Sie bekommen ein Seemannsgrab: Ich kippe Sie ins Meer mit einem schönen Gruß an die Haie!‹ – So behandelt man mich hier, Sylvia. Dieser Paterna ist kein Arzt, sondern ein Holzhacker.« Sie lachte hell, strich de Jongh über das Gesicht und dachte dabei, daß es also noch eine Zeitlang dauern könnte, bis er wieder auf die Füße kam. Und das hieß: noch viele selige Nächte mit Hans. Möge die Lebenskraft nie mehr in seinen Körper zurückkehren!
    Sie lächelte verträumt, und de Jongh dachte, dieser Madonnenausdruck ihres Gesichtes gelte ihm. Er zog ihre Hand an seine Lippen, küßte sie und war doch nicht so schlapp, um einen Augenblick zu denken: Verdammt, jetzt möchte ich sie vögeln! Und das tu ich auch, hier im Bett, sobald ich mich etwas besser fühle …
    Vier Tage auf See, vier Tage nur Wasser, vier Tage Unendlichkeit und schwingender Horizont, vier lange Tage bis zu dem Ruf: »Da ist sie …« Die Osterinsel. Eines der letzten Geheimnisse dieser Erde. Riesige Steinfiguren, die sie Moais nennen, herausgeschlagen aus dem Vulkanfelsen Rano Raruku und auf unvorstellbare Weise kilometerweit zu den heiligen Kultstätten geschleift und dort aufgestellt. Einundzwanzig Holztafeln mit einer eingeschnitzten Bilderschrift, den ägyptischen Hieroglyphen ähnlich; sechshundert verschiedene Schriftzeichen aus grauer Vorzeit, die bis heute nicht entziffert werden konnten. Der Felsen Orongo mit den in Stein gehauenen Bildern des ›Tangata manu‹, des Vogelmenschen. Von der Felsenhöhe mußten die Auserwählten sich wie fliegend ins Meer stürzen und hinüber zu einer spitzen Klippe schwimmen, durch eine See voller Haie. Nur wer die Klippe erreichte, war der neue Häuptling, der König von Insel und Meer, der Bote von ›Make Make‹, dem Gott mit dem Kopf eines Fregattvogels. Bis zu achtzig Tonnen schwer und fünfundzwanzig Meter hoch sind die Tuffsteinriesen der Moai. Sind sie Götterbilder oder Ahnenfiguren? Keiner weiß es bisher. Man steht nur staunend vor den über tausend steinernen Rätseln … Ein Geheimnis, das man bis in die eigene Seele spürt. – Das Leben an Bord der Atlantis zog ohne große Ereignisse dahin, wenn man davon absieht, was unter Deck geschah. Der Prinz frönte hin und wieder seiner perversen Neigung. Die homosexuellen Freunde van Bonnerveen und Grashorn lebten in einem ständigen Streit, weil Grashorn von seiner hübschen Stewardeß nicht lassen wollte – was so weit ging, daß van Bonnerveen wie eine hysterische Frau jammerte und klagte und in Migräneanfällen versank. Ludwig Moor wanderte jeden Morgen seine tausend Meter in strammem Schritt auf dem Promenadendeck, Brust raus, Kreuz hohl, Kinn vorgestreckt. Oliver Brandes hatte seine panische Angst vor einem Untergang überwunden und

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