Promenadendeck
Silberhochzeit geschah es dann noch einmal: Er kam mit einer Flasche Champagner ans Bett, zog seine Frau eigenhändig aus ihrem Nachthemd und benahm sich so, als habe er für diese Nacht lange gespart. Erna war glücklich bis in die Zehenspitzen, sie liebte mit der ganzen Sehnsucht ihrer Jahre und versetzte sich zurück in ihre wilde Hochzeitsnacht. Aber damit schien auch Dr. Schwarmes Pulver endgültig verschossen zu sein. Nach dieser silbernen Hochzeitsnacht war es so, als sei bei ihm ein Licht abgedreht worden.
Erna hatte erschrocken und hilflos darauf reagiert. Sie war zur Kosmetikerin gelaufen und hatte Packungen, Lymphdränagen, Massagen und Peelings über sich ergehen lassen. Sie hatte für drei Wochen eine Schönheitsfarm aufgesucht und sich anschließend heimlich von dort aus mit Frischzellen behandeln lassen. Sie hatte sogar vertrauensvoll mit ihrem Frauenarzt darüber gesprochen, der meinte, man müsse mal mit Dr. Schwarme unter vier Augen reden, was sie als völlig unmöglich ablehnte. Kurz und gut: Es versagte alles! Zwar durfte sie sich die neuesten und teuersten Modellkleider kaufen, behängte er sie mit Schmuck – er verdiente ja ungeheuer mit seinen vielen juristischen Tätigkeiten –, unternahmen sie Reisen, sahen die halbe Welt und spielten das glückliche Paar … aber es war eben nur ein Spiel oder, wie Erna es einmal nannte, als sie ihn in einem wilden Ausbruch anschrie: ein billiges Theater.
Und jetzt François! Ein Mann zum Anknabbern! Ein Mann, der sie beim ersten Kuß an sich preßte. Deutlich konnte sie seine Erregung spüren; sie trug ja nur ihren knappen Bikini und er ein schmales Badehöschen. Und als er über ihre Brüste strich, mußte sie all ihre innere Kraft aufbieten, um den Kopf schütteln und seine Hände wegdrücken zu können.
»Du darfst jetzt nicht nein sagen«, hatte er ihr in seinem so herrlich französisch gefärbten Deutsch ins Ohr geflüstert. »Es ist, als ob das Schicksal uns zusammengeführt hat.«
Aber sie hatte nein gesagt und war aus seinen Armen geglitten und zu den anderen Passagieren zurückgerannt, die auf der überdeckten Terrasse des im polynesischen Stil gebauten Restaurants Palao saßen und sich an dem traumhaften Buffet bedienten. Trotz Schwarmes ehelichem Blackout war Erna bisher noch nie aus dieser Ehe ausgebrochen, hatte sie keinen Liebhaber gehabt, war ihr die Ehe irgendwie heilig gewesen. Bis daß der Tod euch scheidet … aber Peter lebte noch! Eines allerdings spürte sie jetzt: daß sie eine noch immer lustvolle Frau sein und daß ein Mann wie François ihr verdammt gefährlich werden konnte.
Einen zusätzlichen Triumph nahm sie von der Insel Roqueta mit: Die sonst so aufregende Sylvia de Jongh wirkte an diesem Tag wie eine ›graue Maus‹, sonderte sich von den anderen ab, lag an der kleinen Badebucht abseits unter einem aus Palmblättern geflochtenen Sonnenschirm, der zum Restaurant gehörte, und schlief, bis man zum Aufbruch rief. Ihr Mann schwamm unterdessen in der Bucht, demonstrierte seine Muskeln, beschimpfte im Restaurant den mexikanischen Kellner, der das Glas mit einem exotischen Drink nicht ganz voll gegossen hatte, und belästigte die Mitfahrer mit alten Witzen, über die er selbst am lautesten lachte.
Erna Schwarme war an diesem Tag die Schönste von allen. Das tat ihr gut; vor allem, daß sie es Peter erzählen konnte: Auch wenn du blind bist – ich habe noch jede Menge Chancen! Es gibt genug Männer, die mich bewundern und begehren; ich brauchte nur mit den Fingern zu schnippen.
Dr. Schwarme kam von seinem heimlichen Sexausflug erst gegen Abend, etwas abgekämpft und zerknittert wirkend, aufs Schiff zurück. Wenn man die Fünfzig überschritten hat, wird ein Abstecher zu den Hütten auf den Höhen von Acapulco ein ganz schön ins Kreuz gehendes Abenteuer. Er hätte das nie geglaubt, jetzt wußte er es: Der schönste, glatteste und leidenschaftlichste Körper eines aufregenden braunhäutigen Mischlingsmädchens erschöpfte seine Manneskraft schneller, als er es für möglich gehalten hätte. Sein Wille war da, aber sein Körper machte nicht mehr mit. Das war eine bittere Erkenntnis, die er an diesem Tag schlucken mußte. Für fünfzig Dollar bemühte sich die rehäugige Schöne wirklich rührend um ihn und ließ ihn ihre Kunstfertigkeit spüren, aber nach dem ersten Höhepunkt fühlte er sich völlig ausgelaugt, trank ein etwas säuerliches Bier und später sogar Rum mit Cola und nahm die weiteren Bemühungen des wundervoll
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