Promenadendeck
Proben. Dr. Paterna wird sich um Schamhaarproben kümmern. Wenn sich jemand gegen die Durchführung der Tests sträubt, dann ist er schon mal verdächtig. Natürlich haben Sie hier im Labor nicht die geringste Möglichkeit, die Haarproben wirklich zu analysieren und sie beweiskräftig mit den im Bett gefundenen Haaren zu vergleichen – aber wer weiß das denn? Einem medizinischen Labor traut der Durchschnittsmensch alles zu, darauf baue ich! Der Mörder, durch die Ankündigung dieser Untersuchungen unruhig geworden, wird irgendeinen Fehler begehen, der ihn verrät. Ein Mensch kann noch so kaltblütig sein, im tiefsten Inneren lauert doch die Angst. Außerdem hat er ein Vermögen an Dollarnoten zu verstecken und wird dieses Versteck immer wieder kontrollieren aus lauter Sorge, irgend jemand könnte seinen Schatz klauen. Das alles frißt an seinen Nerven.«
»Immer davon ausgegangen, daß es ein Besatzungsmitglied ist. So ist doch Ihre Theorie, Herr Dabrowski – eine sehr vage Theorie!« Teyendorf rauchte hastig. »Wenn es nun ein Passagier war?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein Passagier, der sich so eine Reise leistet, mit einer Mrs. White im Bett liegt.«
»Für mindestens fünfhundert Dollar pro Nacht und mit einer nicht abschätzbaren Summe im Schreibtisch?« Hoteldirektor Riemke hob die Schultern. »Man kann jedem Mensch nur vor das Gesicht sehen. Denken Sie an Ihren Juwelendieb. Woran soll man ihn erkennen?«
»Oh, da gibt es eine Reihe von Typen an Bord, die es sein könnten. Carducci ist, in welcher Maske auch immer er auftritt, sehr elegant. Ein Gentleman! Ein Frauentyp. Und davon haben wir gerade auf dieser Reise eine Menge an Bord.« Dabrowski schüttelte den Kopf. »Forsten wir erst die Mannschaft durch, Herr Kapitän. Wenn ich mich irre, können Sie mich öffentlich ein Rindvieh nennen.«
»Mit Vergnügen!« Teyendorf lächelte etwas verzerrt. Ein Mörder unter seiner Crew, dachte er dabei. Jeden von den Burschen kenne ich. Zum Teil fahren sie mit mir schon seit Jahren zur See. Trotzdem könnte natürlich doch einer drunter sein, dem ein Haufen Dollarscheine das Hirn verdreht. »Ich veranlasse sofort, daß die Mannschaft antritt. In der Mannschaftskabine. Ich werde jeden an Ihnen vorbeimarschieren lassen, Herr Dabrowski. Nur eines ist Ihnen ja wohl klar: Vor der Mannschaft ist Ihr Blindenspiel vorbei! Und ich kann nicht mit Sicherheit ausschließen, daß sich Ihre ›Verkleidung‹ – nennen wir es so – im Schiff herumspricht. Ihr Juwelendieb wird sich dann ins Fäustchen lachen.«
»Das ist mein wunder Punkt. Sie haben recht, Herr Kapitän. Ich schlage deshalb vor, daß offiziell Herr Kempen, Herr Riemke und Herr Dr. Paterna die Untersuchung führen – Sie natürlich auch, Herr Kapitän, als Exekutive …« Dabrowski lächelte breit, was Teyendorf etwas anmaßend und frech fand. »Ich bleibe im Hintergrund und sehe mir jeden Mann an. Sie haben doch im TV-Studio eine tragbare TV-Kamera; an der ziehen die Jungs vorbei, und ich sehe sie mir im Nebenraum auf dem Bildschirm an. Eine Kamera ist unbestechlich; sie sieht mehr als unser träges Auge. Ich brauche von jedem nur den Kopf voll im Bild. Das kleinste Zucken oder Vibrieren wird dann sichtbar.«
»Man lernt nie aus.« Teyendorf zerdrückte die Zigarette auf einer Untertasse, weil er keinen Aschenbecher fand. »Ich hätte nie geglaubt, daß ich einmal in einem Kriminalfilm mitspiele …«
»Bei einem richtigen Mord!«
Die nächsten Minuten verbrachte Dabrowski damit, mit einer Pinzette die Haare an den Bettlaken und Bettbezügen aufzusammeln und in einer runden Glasschale mit Deckel zu deponieren, die Dr. Paterna bei Schwester Erna aus dem Hospital angefordert hatte. Teyendorf und Riemke sahen ihm stumm zu. Als Dabrowski nichts mehr fand und sich aufrichtete, verzog Riemke leicht die Lippen zu der spöttischen Frage:
»Und das ist alles? Die paar Härchen? Damit wollen Sie einen Mörder fangen?«
»Diese paar Härchen sind Gold wert. Wissen Sie, daß man Täter durch hinterlassene Spucke- oder Spermaflecken überführen kann? Haarvergleiche sind dagegen völlig simpel. In den Labors des Bundeskriminalamtes …«
»Wir sind hier auf einem. Schiff, Herr Dabrowski!« unterbrach ihn Teyendorf.
»Darum müssen wir ja bluffen! Hier war kein Profi am Werk, sondern ein Mann, der plötzlich durchdrehte, als er das Geld auf einem Haufen sah. Und so ein Amateur glaubt das Schlimmste, sobald er nur das Wort ›Labor‹ hört.« Dabrowski
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