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Promenadendeck

Promenadendeck

Titel: Promenadendeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Opernabenden, Klubmatinees, Reisen und gesellschaftlichen Ehren, mit Geldverdienen und Geldwegschaffen, mit gespieltem Eheglück und unbewältigter Impotenz, und irgendwann einmal ist es aus, mit Herzinfarkt oder Krebs. Und dann werden am Grab Reden gehalten und Nachrufe geschrieben, aber keiner sagt ehrlich: Es war doch alles Krampf, es war einfach Scheiße, schlicht und einfach Scheiße!
    Dr. Schwarme stieg in die Badewanne, stellte den Wassermixer auf 40 Grad und ließ die Dusche laufen. Der warme Strahl tat ihm gut, er fühlte sich wohl. Ja, er bekam unter dem Trommeln der Wasserstrahlen sogar eine halbe Erektion – nur eine halbe, aber immerhin; er war noch nicht ganz tot da unten, das beruhigte und euphorisierte ihn, er sang unter der Dusche.
    Abgetrocknet und mit einem herben Herrenparfüm eingerieben, kam er im Bademantel zurück in die Kabine und sah, daß sich Erna anzog. Sie streifte gerade ein rotes Cocktailkleid über Büstenhalter und Höschen.
    »Kann der Herr Marquis heute nicht?« fragte er und ließ seinen Spott triefen. »Auch ein bißchen schlapp vom Ausflug? Die Vögel zwitschern noch, wenn sie vom Ast fallen …«
    »Wir sind noch etliche Wochen an Bord, die werden für über zwanzig verlorene Jahre reichen. Nur kein vorzeitiges Triumphgeheul!«
    Pünktlich um 19.45 Uhr betraten sie die Atlantis-Bar zur kleinen Cocktailstunde vor dem Abendessen. Eine Combo spielte dezente südamerikanische Rhythmen. Sie kamen Arm in Arm in die Bar, ein schönes, sichtbar glückliches Ehepaar. Man durfte sie beneiden – nach so langen Ehejahren noch so verliebt.
    Sie nahmen auf den Barhockern Platz, und Dr. Schwarme bestellte, fröhlich wie ein Jüngling, für sich und Erna einen Red Dragon. Das ist ein höllisch hochprozentiger Cocktail aus dunklem Jamaika-Rum, hellem Barbados-Rum, Peach-Brandy, Limettensaft und Ananassaft. Und natürlich mit Eiswürfeln. Wer auf nüchternen Magen drei Glas davon stehend überlebt, hat allgemeine Bewunderung verdient.
    »O Gott!« sagte Erna plötzlich und fühlte an ihren Hals. »Du hast mich so nervös gemacht … ich habe meinen Schmuck ja gar nicht an. Ich muß zurück in die Kabine.«
    »Warum hast du den Schmuck überhaupt zum Schwimmen mitgenommen. Verrückt!«
    »Was habe ich?« Sie sah ihn an, als rede er irr. »Der Schmuck liegt im Nachtkasten.«
    »Irrtum. Die Schublade war offen und nichts lag drin.«
    »Unmöglich! Ich weiß genau …«
    »Und ich weiß es auch! Ich habe hineingeguckt und die Schublade wieder zugeschoben.«
    »Peter …« Ihre Augen wurden ganz weit von Entsetzen. »Peter, ist das wahr? Die Schublade war offen und leer?«
    »Ja doch! Zum Schwimmen so einen Schmuck mitzunehmen! Du wirst immer exaltierter.«
    »Ich habe ihn nicht mitgenommen, Peter.« Ihre Stimme wurde ein wenig schrill. »Peter, begreifst du denn nicht? Der … der Schmuck ist weg. Jemand hat den Schmuck …«
    Fast wie auf ein Kommando rutschten sie beide von ihren Barhockern, ließen die Gläser stehen und rannten aus der Atlantis-Bar. An der gläsernen Doppeltür prallten sie auf den I. Offizier Willi Kempen. Nach den Aufregungen durch den Mord an Mrs. White wollte er ganz schnell ein schäumendes Pils trinken.
    »Brennt es in der Bar?« fragte er augenzwinkernd.
    »Dort nicht, aber bei uns. In 018! Dr. Schwarme, mein Name.« Schwarme blieb stehen, während Erna weiterrannte. »Es scheint so, als habe man bei uns eingebrochen. Der Schmuck meiner Frau ist verschwunden.«
    Ein Seefahrt-Laie ist geneigt, den Kapitän eines Kreuzfahrt-Schiffes, eines Musikdampfers, wie man so was respektlos nennt, zu beneiden. Er sieht die ganze Welt, ist von schönen Frauen umgeben, trägt eine schöne weiße Uniform mit Goldstreifen am Ärmel und goldenem Eichenlaub auf dem Mützenschirm, ist ein kleiner König auf seinem Schiff, bekommt eine schöne Latte Geld als Gehalt und überhaupt: Kapitän zu sein ist eine schöne Sache.
    Von dem Berg an täglichen Sorgen, von der Verantwortung, neunhundert Menschen sicher über die Meere zu führen, von den kleinen und großen Pannen an Bord spricht keiner, weil sie niemand sieht. Nicht sehen darf! Das ist ein Grundgesetz an Bord. Der Passagier hat viel Geld bezahlt, um ein paar Wochen fröhlich und glücklich sein, unbeschwert die schöne Welt erleben und in sein tägliches Leben zurückkehren zu können mit der anhaltenden Freude, dieses Schiff und seine Besatzung in sein Herz geschlossen zu haben. Auf Wiedersehen ist hier keine Floskel mehr, man meint

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