Promenadendeck
balancierte das Glasschälchen mit den Haaren auf seiner Handfläche. »Wünschen wir uns für die nächsten Tage gegenseitig viel Glück, meine Herren!«
Dr. jur. Peter Schwarme saß an der Bartheke der Atlantis-Bar und trank einen Daiquiri . Nicht, weil dieses Getränk aus weißem Rum, Limettensaft und Zucker – über geschabtes Eis gegossen – von Hemingway literweise vertilgt worden war, sondern weil er plötzlich einem Problem gegenüberstand, das er nie einkalkuliert hatte.
Seine Frau, die immer Elegante und Distanzierte, war an Land gegangen, und er hatte von der Reling aus beobachtet, wie der gutaussehende François de Angeli nicht nur mit ihr in denselben Bus stieg, sondern dabei auch noch sehr vertraut seinen Arm um ihre Schulter legte. Es war sonst durchaus nicht ihre Art, so etwas zu dulden, aber hier reagierte sie mit einem sonnigen Lachen, bog den Kopf zu dem Franzosen zurück und strahlte ihn an.
Nicht, daß Dr. Schwarme eifersüchtig war! Dafür gab es keinen Grund, zumal er mit seiner zweiten Sekretärin sehr vertraut war und es einen ehelichen Kontakt mit seiner Frau nur noch sporadisch gab. Was ihn störte, war vielmehr, daß sie in aller Öffentlichkeit flirtete und eine gezierte Jugendlichkeit hervorkehrte.
Etwas mehr Rücksicht, Erna! dachte er und rührte in dem Daiquiri herum, was Hemingway mit einer Ohrfeige geahndet hätte. Nicht nur ich sehe es, sondern die anderen auch. Und die denken dann: Jetzt setzt sie dem Schwarme Hörner auf, und der Blödmann bleibt an Bord und spielt Shuffleboard. Und ausgerechnet mit diesem windigen Typen, der schon am ersten Abend zwei Ehemänner durch sein unverschämtes Benehmen zur Weißglut gebracht hat.
Dann war der Bus abgefahren. Dr. Schwarme erkannte durch die große Scheibe, daß seine Frau und de Angeli nebeneinander saßen und lachten. Erna wirkte tatsächlich jung und mädchenhaft; fast unvorstellbar, daß sie in drei Monaten ihren Fünfzigsten feiern würde.
»Noch einen!« sagte Dr. Schwarme zu dem Barsteward und blickte sich in der fast leeren Bar um. An einem der runden Tische saß einsam der Weingutsbesitzer Arturo Tatarani und trank einen Negroni – ein höllisches Mixgetränk aus Campari, Wodka, süßem Wermut, Sodawasser und Eiswürfeln. Ein wahrer Trost für die Einsamen.
Dr. Schwarme nahm sein neues Glas Daiquiri und balancierte es hinüber zu Signore Tatarani. »Darf ich Ihnen Gesellschaft leisten?« fragte er. »Wir zwei Verlassenen …«
»Warum sind Sie nicht mit an Land gegangen, dottore?« Tatarani sah nicht so aus, als ob er von Dr. Schwarmes Gegenwart beglückt sei. »Acapulco ist phantastisch! Etwas außerhalb der Bucht, auf einer Felsnase, liegt die Riesenvilla von Johnny Weissmüller, dem berühmten Schwimmer und Tarzan. Ich habe als Junge mit vor Begeisterung roten Wangen seine Tarzanfilme angesehen. Wenn er seinen Urwaldruf hinausbrüllte: unvergeßlich, nicht wahr? Nun ist er tot. Trotz seines Ruhmes war er zuletzt ein einsamer Mensch.«
»Das sind wir im Grunde genommen alle.« Dr. Schwarme winkte traurig ab. Erna hat ihren Bikini mitgenommen, dachte er. Dieses knappe Ding, ich mochte es nie an ihr, obgleich sie noch eine gute Figur hat. Aber für Frau Schwarme zu provokativ! Nun wird sie das bißchen Stoff vor diesem verdammten de Angeli tragen, und er wird ihr Komplimente machen und wie ein Hahn um sie herumhüpfen. »Sie kennen viel von der Welt, nicht wahr?«
»Fast alles. Aber es gibt Gebiete, die man immer wieder sehen kann. Bora-Bora zum Beispiel, oder Lahaina auf Maui, einer der Hawaii-Inseln. Auch Fiji ist herrlich und erst recht Samoa.« Tatarani musterte Dr. Schwarme aus mitleidvollen Augen. »Sie sollten jetzt auch an Land gehen, dottore. In Acapulco, auf den umliegenden Höhen, gibt es wunderschöne Eingeborenenmädchen. Für ein paar Dollar erleben Sie mexikanisches Feuer …«
»Und zum Abschied bekommt man einen gesalzenen Tripper oder eine unheilbare Tropenlues.«
Tatarani lachte, doch sah man ihm an, daß er Dr. Schwarme gern loshaben wollte. Da dieser aber hocken blieb, stand er auf, trank im Stehen sein Glas Negroni leer und nickte Dr. Schwarme zu.
»Ich muß noch ein paar Karten schreiben, ehe man die Post von Bord holt. Entschuldigen Sie mich bitte, dottore.«
»Aber ja!« Dr. Schwarme starrte mißmutig in seinen Daiquiri. Eigentlich hat er recht, dachte er. Erna amüsiert sich mit diesem Mann, und ich hocke hier herum und weiß nicht, was man anfangen soll. Ich hätte ja den Ausflug
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