Promenadendeck
mitmachen können, aber dann würde mich Erna wieder aufgeregt haben mit ihrer Art, sich in den Vordergrund zu spielen. Immer und überall will sie bewundert werden – und ganz besonders jetzt, wo diese tolle Frau Sylvia de Jongh am Ausflug teilnimmt. Die bisherigen Seefahrten waren immer gleich verlaufen; er konnte genau sagen, wie alles weiterging; Erna drehte auf, wie es sich für eine flotte Mittvierzigerin – als die sie sich ausgab – gehörte, wurde nach ein paar Gläschen glotzäugig und albern und war schließlich froh, in ihr Bett zu kommen und sich ihre grüne, stinkende Nährcreme ins Gesicht zu schmieren. Diese grüne Creme trug ein gut Teil schuld daran, daß ihr Eheleben immer mehr verödete. Auch der galante de Angeli würde auf der Rückfahrt vom Ausflug von Erna enttäuscht sein, wenn sie ganz plötzlich schläfrig würde. Das war ein Gedanke, der Dr. Schwarme versöhnte. Und dann dachte er an den Vorschlag von Tatarani.
Eingeborenenmädchen. Auf den Höhen von Acapulco. Mexikanisches Feuer im Leib! So etwas könnte schon reizen. Mit zweiundfünfzig kann man noch mithalten, ohne sich zu blamieren. Versuchen wir es mal, Peter?
Dr. Schwarme trank sich mit einem Pacman – Wodka mit Apricot Brandy, Zitronensaft und Bitter-Lemon auf Eis – zusätzlichen Mut an und spürte bei dem Gedanken an die Mädchen auf den Hügeln von Acapulco ein Kribbeln in den Adern. Jeder Taxifahrer würde wissen, wohin er ihn bringen sollte, wenn man mit Augenzwinkern sagte: »Zu den Hütten, Señor.«
Dr. Schwarme verließ die Bar, ging auf das Promenadendeck und dann durch eine der großen Glastüren zu seiner Kabine 018, eine der teuersten auf MS Atlantis. Da hatte man das Promenadendeck vor sich, die Reling und das Meer. Man konnte viel sehen, ohne selbst gesehen zu werden.
Dr. Schwarme schloß seine Kabinentür auf, ging zum Schrank und suchte nach einem fröhlichen, bunten Hemd, das man über der Hose tragen konnte. Dabei fiel sein Blick auf den Nachttisch von Erna. Die Schublade war halb aufgezogen – das war doch sonst nicht Ernas Art! Vor allem nicht, wenn sie den Schmuck vom vergangenen Abend darin verschlossen hatte.
Dr. Schwarme zog die Lade ganz auf und blickte ins Leere. Kein Schmuck mehr … nicht das Kollier mit den Saphiren, das Armband und die dazu passenden Ohrringe und die Brosche. Merkwürdig, dachte er und schob die Lade wieder zu. Ich habe nicht gesehen, daß sie den Schmuck trug. Wer legt denn bei einem Badeausflug solche Klunker an? Auch Erna nicht, bei aller Exzentrik. Aber die Schublade ist leer, also muß sie ihn doch mithaben. In der Badetasche … solch ein Blödsinn! Schwimmt im Meer bei Acapulco und behängt sich dann mit Brillanten und Saphiren, nur um dieser Sylvia de Jongh zu imponieren. Jetzt wird sie ganz verrückt … Dr. Schwarme irrte sich.
Carducci hatte zugeschlagen.
6.
Am Nachmittag kam Erna Schwarme von ihrem Ausflug nach Palao auf der Insel Roqueta zurück. Sie war randvoll von Erlebnissen und einen Augenblick lang enttäuscht darüber, daß ihr Mann nicht in der Kabine war.
Was hatte sie nicht alles gesehen! Die herrlichen Buchten von Acapulco. Die Luxushotels und die grandiosen Villen auf den Felsen. Die Todesspringer; junge, braune, muskelstarke Burschen, die sich von hohen Felsklippen mit einem Kopfsprung hinunter ins Meer stürzten. Ein Boot mit Glasboden, unter dem man die Fischschwärme vorbeiziehen sehen konnte. Vor allem aber hatte sie einen Mann erlebt, der sie mit Liebenswürdigkeiten überschüttete, sie hinter einer Wand aus blühenden Hibiskussträuchern leidenschaftlich küßte und dabei ihre Brüste streichelte. So hatte Peter, ihr sträflich bequem gewordener Mann, sie seit Jahren nicht mehr geküßt. Früher, ja, da war er noch der Draufgänger, als den sie ihn kennengelernt und vor dem fürsorgliche Freunde sie gewarnt hatten. Das hatte ihr gefallen. Das hatte sie ungemein gereizt, daß die anderen Mädchen sie um diesen Dr. Schwarme beneideten und zu gern selbst mit ihm in seine berüchtigte Junggesellenwohnung gegangen wären. Aber dann, schleichend wie eine innere Verkalkung, ließ seine Leidenschaft nach. Nach zwanzig Jahren Ehe konnte sie die Abende zählen, an denen er sich darauf besann, daß eine attraktive Frau neben ihm im Bett lag. Von Nächten war schon gar keine Rede mehr; es gab ein paar Küsse, eine Pflichtübung, ein kurzes Nachklingen mit banalen Gesprächen, und dann wälzte er sich auf die Seite und schlief ein.
Bei der
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