Promijagd
eine gemeinsame Mannschaft eher verboten werden.«
Mannhardt sah erst auf die Uhr, anschließend zu Dr. Narsdorf hinüber. »Damit Ihre Patienten nicht zu lange warten müssen, sollten wir vielleicht …«
»Und ehe der Schneeganß hier ist, dich zu verhaften«, fügte Orlando hinzu.
»Ich bin wohl der Tatverdächtige Nummer eins?«
Mannhardt zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht genau, ich glaube schon. Ihr Glück ist vorerst nur, dass die anderen auch handfeste Motive und ebenfalls kein Alibi haben.«
Narsdorf schloss die Augen. »Ach Gott, manchmal glaube ich wirklich, dass ichs getan habe. Mein gleichsam angeborener Hass gegen Leon … Ihm ist es nicht anders ergangen. Hass kettet zwei Menschen ebenso aneinander wie Liebe. Nun fehlt er mir direkt.« Narsdorf begann ›La Paloma‹ zu summen: »›Einmal muss alles vorbei sein …‹« Er kam kaum gegen seine Rührung an. »So simpel dieser Satz ist, er enthält die letzte Wahrheit: Einmal muss alles vorbei sein. Nun ist es vorbei, nun ist unser lebenslanges Duell zu Ende, und verloren haben wir beide: er sein Leben, ich meine Zukunft.«
»Im Augenblick stehst du noch nicht vor Gericht«, sagte Orlando.
»Aber alles wird so kommen, wie es kommen muss.«
»Alles hängt von Ihrem Alibi ab«, sagte Mannhardt. »Lässt sich da nicht doch irgendwo ein Zeuge finden?«
»Wie denn? Ich war nach der Vernissage ein wenig durcheinander und wollte nach Hause laufen«, erklärte Narsdorf. »Nach einer halben Stunde habe ich umgekehrt und mein Auto geholt.«
»Und warum waren Sie ein wenig durcheinander?«, hakte Mannhardt nach.
»Weil …« Narsdorf zögerte einen Augenblick mit der Antwort. »Weil ich Corinna getroffen habe, Corinna Natschinski, meine Erpresserin. Es ist Wahnsinn, aber ich finde, dass sie eine faszinierende Frau ist.«
Mannhardt, der in früheren Fortbildungsveranstaltungen einiges aus der Psychologie gelernt hatte, lachte. »Wenn Bruno Bettelheim von der Identifikation mit dem Aggressor spricht, dann ist es bei Ihnen die Identifikation mit dem Erpresser – beziehungsweise der Erpresserin.«
»Irgendwie hat sie’s mir angetan«, sagte Narsdorf.
»You are my destiny«, sang Orlando.
»Wenn Sie wenigstens mit ihr nach Hause und ins Bett gegangen wären«, sagte Mannhardt. »Dann hätten Sie ein wunderschönes Alibi.«
»Bin ich aber nicht, sie war plötzlich verschwunden.«
»Kein Wunder«, stellte Orlando fest. »Erstens war sie noch mit Leon Völlenklee zusammen und zweitens musste sie naturgemäß Angst vor dir haben, Angst, dass du sie und Völlenklee eliminieren würdest.«
»Was nun?«, fragte Narsdorf. »Am besten, ich schließe meine Praxis, bevor ich in U-Haft komme.«
»Mach das«, sagte Orlando. »Heute ist sowieso großer Ärztestreik in Berlin.«
Narsdorf sah Mannhardt an. »Wie sehen Sie meine Chancen?«
»Die stehen meiner Ansicht nach gar nicht mal so schlecht. Neben Ihnen gibt es unseres Wissens nach drei weitere Tatverdächtige: ihren lieben Maik Bulkowski, den Sie ja selbst auf Völlenklee losgelassen haben, Sabrina Immelborn, die Mutter von Ritchie, und Werner Schwenz, wenn der auch nur indirekt mit Ihnen was zu tun hat. Ihr Kollege Mägdesprung könnte noch hinzukommen, der ist allerdings wohl am ehesten außen vor.«
»Und was soll ich nun machen?«, fragte Narsdorf.
»Nur nicht mit Corinna Natschinski in Verbindung treten«, riet ihm Mannhardt. »Das gäbe nämlich ein besonders überzeugendes Motiv für Sie und man könnte sagen: Er hat Völlenklee eliminiert, um an Corinna heranzukommen.«
28
Dr. Martin Mägdesprung war erstaunt, dass sein Name im Zusammenhang mit dem Mordfall Leon Völlenklee bisher nicht in der Zeitung gestanden hatte, nicht einmal Formulierungen wie ›unter den Tatverdächtigen soll sich auch der bekannte Schönheitschirurg Dr. Martin M. befinden‹ waren zu lesen gewesen. Gegenwärtig funktionierte der Datenschutz, wahrscheinlich hatte man in den Redaktionen zu viel Angst vor einer Klage wegen Rufschädigung. Jedoch, wann brachen die Dämme? Spätestens, wenn Sabrina Immelborn zugab, den Bauwagen angesteckt zu haben, aus welchem Motiv heraus auch immer. Er musste mit ihr reden. Es war kurz vor 17 Uhr, und eigentlich war er zu müde dazu. Den Vormittag über hatte er operiert, allerdings nur Krampfadern, das war weit genug weg von der Kehle, und anschließend hatte er bis eben seine Sprechstunde abgehalten. Als er Termine ausgemacht hatte, war er sich wie ein Betrüger
Weitere Kostenlose Bücher