Promijagd
Klaus Soundso. Nach Schluss des Spiels sollte er da sein. Vorher hat er nicht gekonnt, wegen Deutschland gegen Portugal. Und dieser Klaus hat mir erzählt, dass Leon sich solange bei Ritchie im Bauwagen aufhalten wollte, weil ihm nicht gut war. Nachdem die Wohnungstür geöffnet worden war und ich die Leute bezahlt hatte, bin ich los zum Bauwagen. Da habe ich nur noch rauchende Trümmer vorgefunden, und die Feuerwehrleute haben mir erzählt, dass sie einen Mann gefunden und rüber ins Krankenhaus gebracht haben. Ich hin … Ja, und im Urban haben sie mir gesagt, dass es Leon gewesen ist, der gestorben ist und nicht Ritchie, wie ich angenommen hatte. Da habe ich die Nerven verloren und bin ab zum U-Bahnhof. Das Weitere wissen Sie ja.«
Wieder verließen sie die Kräfte, und der herbeigeeilte Oberarzt setzte Schneeganß und Grätz mit einigen harschen Worten vor die Tür.
Sie gingen wieder in die Cafeteria, diesmal um Mittag zu essen. Als sie fertig waren, schaute Schneeganß auf seine Liste. »Bulkowski, Fröttstädt, Dr. Narsdorf, Dr. Mägdesprung, Millie Malorny – Schrägstrich – Nicole Leckscheidt.«
»Die ja wohl nicht, die hat ja Anzeige erstattet«, wandte Grätz ein.
»Richtig. Kommen aber noch die hinzu, die es vielleicht gar nicht auf Völlenklee abgesehen hatten, sondern auf Ritchie, warum auch immer.«
»Da haben wir nur einen, diesen – wie hieß er?«
Auch Schneeganß musste einen Augenblick überlegen. »Schwenz, wie Schwanz nur mit e. Motiv: Rache für den Tod von Jöllenbeck, in der Annahme, dass Ritchie Jöllenbeck vor die U-Bahn gestoßen hat. Und Schwenz hat ja nicht wissen können, dass Völlenklee statt Ritchie im Bauwagen schläft.«
»Das ist mir zu viel Arbeit«, sagte Grätz. »Die alle abzuklappern. Warten wir erst mal ab, was die Techniker herausfinden. Vielleicht hat auch nur einer einen Knallkörper aus dem Auto geworfen, und der Bauwagen hat Feuer gefangen, oder einer hat ihn angesteckt, weil da die falsche Fahne rausgehangen hat.«
Diese Spekulationen hatten allerdings ein Ende, als Schneeganß’ Handy klingelte und die Techniker meldeten, es sei ein Brandbeschleuniger verwendet worden, und zwar ganz gewöhnliches Benzin. Die Tat musste demzufolge geplant gewesen sein.
Schneeganß stand auf. »Also: hopphopp, gehen wir Klinken putzen und fragen die Leute nach ihren Alibis.«
*
Es kam zunächst das Wochenende dazwischen, und erst am Mittwoch, als Deutschland und die Türkei im Halbfinale der Europameisterschaft aufeinandertreffen sollten, waren sie mit ihren Hausbesuchen durch. Schneeganß, der einen sichtlichen Spaß an solchen Protokollen hatte, setzte sich danach an den Computer, um festzuhalten, was die Gespräche mit den Tatverdächtigen 1-6 bis zu dieser Stunde ergeben hatten:
1. Dr. Hagen Narsdorf
Gibt ohne Weiteres zu, dass zwischen ihm und Völlenklee eine ›innige Feindschaft‹ bestanden und er dessen Erpressung als existentielle Bedrohung gesehen habe. Hat kein Alibi für die Tatzeit, will, nachdem er Corinna Natschinski bei der Vernissage in der Leibnizstraße getroffen hatte, ziellos durch die Straßen gestreift sein. Sein Auto sei in der Mommsenstraße geparkt gewesen, er sei aber erst weit nach Ende des Fußballspiels eingestiegen und nach Hause gefahren. Es gibt niemanden, der das bestätigen kann.
Sein Einwand, er wäre ja schön dumm gewesen, Völlenklee und Corinna N. zu töten, weil ja damit alles an die Öffentlichkeit gekommen wäre und er als Hauptverdächtiger dagestanden hätte, ist nicht von der Hand zu weisen, kann aber auch als strategische Finte gesehen werden. Von sich aus erzählt er uns, Bulkowski gebeten zu haben, Völlenklee einzuschüchtern und von der Erpressung abzubringen.
2. Dr. Mägdesprung
Erzählt, dass Corinna Natschinski bei ihm gewesen sei. Er habe willig gezahlt. Die Erpressung sei für ihn ein Schicksalsschlag, ein Unfall gewesen, und dagegen sei man machtlos. Viel mehr habe ihn getroffen, dass der Sohn seiner Lebensgefährtin Sabrina Immelborn, Richard (= Ritchie), in die Sache verwickelt sei. Völlenklee, Corinna Natschinski und Ritchie hätten früher in einer WG zusammengelebt. Was da im Einzelnen geschehen sei, wisse er nicht, da sollten wir Frau Immelborn direkt befragen. Auf die Idee, seine Erpresser zu eliminieren, sei er nie gekommen, weil das seine Probleme nicht gelöst hätte, ganz im Gegenteil. Ein Alibi hat er nicht: Er will allein zu Hause gesessen und das Fußballspiel verfolgt
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