Promijagd
einen umbringen? Na, hör mal!«
Er versuchte weiter, sie in die Enge zu treiben. »Da gibt es immerhin noch eine zweite Möglichkeit: Du hast den Bauwagen angesteckt, um deinen Sohn daran zu hindern, wieder in sein altes Leben zurückzukehren. Ohne zu wissen, dass Völlenklee drin liegt und schläft. Alles bei dir hat sich auf diesen Bauwagen fokussiert.«
Sabrina Immelborn sprang auf, verlor jede Contenance und schrie los. »Ja, und als Ritchie so dagelegen hat, fast wie ein Toter, da habe ich es nicht mehr aushalten können und bin runter zu meinem Wagen gelaufen, habe mir den kleinen Reservekanister genommen und bin zur Urbanstraße, zum Bauwagen …«
29
Gunnar Schneeganß und Eugen Grätz kamen im Mordfall Völlenklee nicht weiter und konnten nur auf zweierlei hoffen: Auf den Kommissar Zufall und darauf, dass einer der Tatverdächtigen einen Fehler machte oder die Nerven verlor. Deshalb war vorerst Warten angesagt. Dabei half ihnen die Fußball-EM. An diesem Morgen galt es, das Spiel Spanien gegen Russland zu kommentieren, das die Iberer3:0 gewonnen hatten und damit ins Endspiel gegenDeutschland eingezogen waren.
»Das war wirklich Fußball vom Feinsten«, sagte Schneeganß. »Gegen die haben wir im Endspiel keine Chance.«
Grätz kam ihm mit einer der alten Weisheiten: »Jede Mannschaft spielt immer nur so gut, wie es der Gegner zulässt.«
»Den Deutschen wird mangels Klasse gar nichts anderes übrig bleiben, als die Spanier gewähren zu lassen«, sagte Schneeganß.
»Na, wenigstens wird ein EU-Staat Europameister«, freute sich Grätz. »Und nicht die Russen oder die Türken. Serbien wäre noch schlimmer gewesen.«
Schneeganß grinste. »Oder England.«
In diesem Augenblick klopfte es an der Tür, und auf ihr »Herein bitte!« erschien ein älteres Ehepaar, das ihnen in den nächsten Minuten viel Freude bereiten sollte und das Einschalten einer Comedy-Serie ersparte.
»Sind wir hier richtig?«, fragte sie.
»Kommt darauf an, was Sie suchen«, sagte Schneeganß.
»Na, sicherlich nicht die Käsetheke des KaDeWe, junger Mann«, gab sie zurück. »Hier ist doch die Mordkommission, die den Fall Völlenklee bearbeitet?«
»So ist es.«
»Na, also!«, rief sie. Ihr Mann strahlte und zitierte aus dem 9. Kapitel des 1. Buch Moses: »Auch will ich eures Leibes Blut rächen … und will des Menschen Leben rächen … Wer Menschenblut vergießt, des Blut soll durch Menschen vergossen werden.«
Schneeganß stöhnte leise auf. »Wenn Sie einen Antrag auf Wiedereinführung der Todesstrafe stellen wollen, da sind Sie hier falsch.«
»Wir sind wegen des Herrn Völlenklee hier«, sagte sie.
»Wenn Sie sich bitte einmal vorstellen würden«, bat Grätz. »Es ist ja nicht so wie beim Fußball, dass wir alle unsere Namen auf dem Rücken tragen.«
»Mein Name ist Dorothea Otto, ich bin pensionierte Lehrerin. Dies ist mein Mann Johannes Otto. Er ist Professor für Völkerkunde.«
»Nehmen Sie bitte Platz.« Schneeganß rückte ihnen zwei Stühle zurecht.
Prof. Dr. Johannes Otto setzte sich und wiederholte bedeutungsschwer einen seiner Lieblingssätze:
»Denn der Herr, dein Gott, ist ein verzehrendesFeuer und eifriger Gott.«
»Sie sind wegen dem Bauwagen hier?«, wollte sichGrätz vergewissern.
»Wegen des Bauwagens«, wurde er von Frau Otto verbessert.
»Meinetwegen auch wegen des Bauwagens.«
Johannes Otto kicherte und sagte mit Blick aufseine Frau: »Mein Kind, verwirf die Zucht des Herrn nicht und sei nicht ungeduldig über seine Strafe.«
Schneeganß verlor dennoch ein wenig die Geduld und bat die beiden, zur Sache zu kommen. »Sie sind wegen des Brandes des Bauwagens in der Urbanstraße zu uns gekommen?«
»Ja«, antwortete Dorothea Otto. »An Ort und Stelle hat uns ja niemand beachtet. Daraufhin sind wir in die nächste Taxe eingestiegen, weil mein Mann mit seiner schwachen Blase …«
»Dorothea, ich bitte dich!«, rief Johannes Otto und kam ihr diesmal nicht mit der Bibel, sondern dem Grundgesetz: »Die Würde des Menschen ist unantastbar.«
»Also gut«, Dorothea Otto nahm einen neuen Anlauf. »Wir sind am Freitagabend am Mehringdamm in eine Taxe gestiegen, um zu uns nach Hause in die Böckhstraße zu fahren. Als es die Urbanstraße entlanggeht, entdeckt unser Taxifahrer auf Höhe des Nachbarschaftshauses den brennenden Bauwagen, springt hinaus, sucht die Flammen zu löschen und ruft, als ihm dies nicht gelingen will, die Feuerwehr.«
Schneeganß nickte. »Ja, die Aussage des
Weitere Kostenlose Bücher