Prophetengift: Roman
lächelnden Mannes, umringt von strahlenden Kindern und Jugendlichen im Rollstuhl. »Hier sehen wir einen Mann, der behinderte Kinder in der Krisenregion Mittlerer Osten kostenlos mit medizinischen Hilfsmitteln versorgt. Er möchte nur das Leid dieser Kinder lindern, die zu Krüppeln gemacht wurden und Arme und Beine verloren haben. Er bittet euch nicht um Hilfe, aber er könnte ganz bestimmt welche gebrauchen.«
Das Bild auf den Fernsehschirmen wechselte. »Hier sehen wir einen Mann aus Alabama«, rief Sebastian, der erfolglos versuchte, die stummen Schreie in sich zu übertönen, »der eine Suppenküche für Obdachlose leitet. Er braucht Anzüge, Kleider und Schuhe für die Leute, mit denen er arbeitet, damit sie zu Vorstellungsgesprächen gehen können.
Hier sehen wir eine mutige, liebevolle Lehrerin, die in ihrer Garage mit ausrangierten Schulbüchern illegalen Einwanderern Englisch beibringt, damit sie bessere Jobs finden können. Ihre Nachbarn hassen sie, aber sie ist trotzdem nicht gewillt, ihre Arbeit aufzugeben.
Hier haben wir eine liebevolle, mutige Ärztin, die in ihrer freien Zeit kostenlose medizinische Versorgung in einem der ärmsten Viertel von Chicago anbietet, um die Zahl der Teenager-Schwangerschaften zu verringern, und hier sehen wir eine Frau aus New Mexico, die der Kinderarbeit in Südasien ein Ende bereiten will. Bittet einer dieser Menschen um eure Hilfe? Nein, aber sie könnten sie alle gebrauchen.
Es gab mal eine Zeit«, fuhr Sebastian fort, »als ich, der Führer einer religiösen Organisation, euch, meine Anhänger, überredet habe mir Geld zu spenden, damit ich die Botschaft von Evo-Love weiterverbreiten konnte. Ich schäme mich, es zuzugeben, aber ziemlich viel von diesem Geld wurde für Luxusgüter für mich und meine Mutter ausgegeben. Aber heute Abend erbitte ich keine Spenden für mich selbst – im Gegenteil, ich bitte euch inständig, euer Geld jemand anderem zu geben.«
Die Lichter wurden abgeblendet und Sebastians Podest begann wieder zu steigen und sich zu drehen. »Von jetzt an wird meine Stiftung sich darauf konzentrieren, fast jeden Cent jeden Dollars, den wir einsammeln, den Menschen zu geben, die wir eben gesehen haben. Warum? Aus diesem Grund: Dass wir den Schmerz eines anderen Menschen nicht fühlen können, bedeutet nicht, dass er nicht leidet.
Und wenn ihr es euch nicht leisten könnt, Geld wegzugeben, ist das auch okay! Es ist genauso wichtig, einem alten Menschen zuzuhören, der eine Geschichte erzählen will, oder Lesepatin für ein Kind zu werden oder einen Hund oder eine Katze aus dem Tierheim zu holen. Und wisst ihr, was geschehen wird, wenn ihr das tut?«
»Was?«, antwortete die Menge wie aus einem Mund.
» Wisst ihr, was geschehen wird, wenn ihr das tut? «, rief Sebastian.
» WAS? «, brüllte die Menge.
» Wenn wir alle gemeinsam etwas tun, können wir die Welt verändern! «
Sebastians rotierendes Podest hatte fast wieder die höchste Position erreicht, und die Arena tobte, als die Musik dröhnte, die Lichter abgedunkelt wurden und grüne, purpurne, orange und blaue Laserstrahlen durch das stockfinstere Stadion schnitten.
Da entdeckte Sebastian ein winziges, sehr helles Aufblitzen hoch oben in den höchsten Sitzreihen.
54
Sebastians Brustkorb fühlte sich an, als wäre er von einem Vorschlaghammer getroffen worden.
Was ist?
Das Publikum schrie.
Jemand stellte die Musik ab.
Dann verlangsamte sich die Szene vor ihm von Echtzeit in Zeitlupe und die Entsetzensschreie aus dem Publikum verklangen zu Stille.
Er sah, wie Reed von ihrem Sitz aufsprang, Augen und Mund weit aufgerissen, die Arme ausgestreckt.
Techniker und Personenschützer stürmten auf die Bühne unter ihm.
Die linke Seite seines Brustkorbs wurde wie in einem Schraubstock zusammengezogen, als seine Lunge kollabierte.
Er spürte, wie das Podest zu sinken begann.
Er schaute hinab und sah Blut.
Das ist mein Blut. Sie haben es tatsächlich getan.
Seine Arme und Beine kribbelten, und seine Knochen fühlten sich an, als würden sie sich auflösen.
Er sah nichts mehr außer Weiß, einem statischen Weiß überall, nur nicht in der Mitte ... aber Reed konnte er immer noch sehen.
Schneller mit dem Podest!
Es traf mit einem Stoß auf dem Boden auf, und dann spürte er Hände auf sich, die etwas auf die Wunde drückten.
Das tut weh!
Er sah Reeds Gesicht.
Sie hat Angst.
Sein Herz hämmerte.
Sie versucht, nicht zu weinen.
Es war nicht mehr genug Blut in ihm, um es durch die
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