Prophetengift: Roman
begegnete ich zwei Frauen, die seit drei Jahrzehnten ein glückliches Paar sind. Sie haben sich ein wunderbares gemeinsames Leben in einer Welt eingerichtet, die nicht immer Verständnis für ihre Art von Beziehung hat, und sie haben sich nie von derartiger Unwissenheit von irgendetwas abhalten lassen. Leider hat Libby jetzt Krebs und sie hat nicht mehr viel Zeit. Und ihre Lebenspartnerin Tess ist zornig darüber, wie es wohl jeder wäre. Beide Frauen haben den Großteil ihres Lebens damit zugebracht, Menschen zu helfen, die weniger Glück hatten als sie, und da würde man doch hoffen, dass es eine bessere Belohnung dafür gibt als den Versuch, den Krebs zu besiegen. Aber sie lesen trotzdem Bücher zusammen, trinken Wein, lieben ihren Hund und gehen voll Respekt und Liebe miteinander um. Die beiden haben mir gezeigt, wie wichtig Liebe ist. Liebe und Mut.
Als Nächstes traf ich einen alten Mexikaner mit starkem Akzent und noch stärkeren Händen, dessen größte Freude es war, seine harte Tagesarbeit zu leisten und danach zu seiner Frau
nach Hause zu fahren – eine alte Frau, die mittlerweile an Alzheimer leidet. Ramon ist der glücklichste Mensch, dem ich je begegnet bin. Er arbeitet hart, er liebt innig, er kümmert sich um die Schwachen, er findet Dinge, über die er lachen kann, und er dankt Gott jeden Tag für seinen Segen – auch dann noch, wenn diese Wohltaten ihm entrissen werden. Auch Ramon hat mir gezeigt, wie wichtig Liebe ist. Liebe und Mut.
Und ich traf eine schöne junge Frau, die von einem Mann verlassen worden war, der sie überhaupt nicht verdiente. Na, kommt euch das irgendwie bekannt vor?«
Das Publikum, das gebannt zuhörte, brach in Hochrufe und Gelächter aus. Auch Sebastian lachte, obwohl seine Unruhe mit jedem Augenblick wuchs. Als es wieder still geworden war, fuhr er fort. »Diese wunderbare Frau, obwohl sie verständlicherweise zögerlich war, sich wieder zu verlieben, sah etwas in mir, das nie zuvor jemand gesehen hatte. Und nach einiger Überzeugungsarbeit von mir ließ sie zu, dass ihr Herz sich öffnete. Und sie hat mir gezeigt, wie ich mein Herz öffnen konnte.« Sebastian schaute zu Reed hinunter und sah, dass sie mit leuchtenden Augen zu ihm aufblickte. »Sie hat mir ihre Liebe gegeben und mir gezeigt, was Mut ist. Mut und Liebe, die ich mir geborgt habe, als es Zeit war, einem guten Freund zu vergeben, der mich verraten hatte.
Dann begegnete ich einem Mann, über den ich mir immer viele Gedanken gemacht hatte. Wie ihr sicher mittlerweile alle wisst, ist mein Vater ein trockener Suchtkranker, der im Gefängnis gesessen hat. Sein Gift war Methamphetamin, eine Droge mit einem stählernen Griff. Er brachte den Mut auf, jetzt seit zwei Jahren drogenfrei zu leben, und seine Liebe zu einem Kind, das er nie kennengelernt hatte, ließ ihn einige ziemlich große Hindernisse überwinden, um mich zu finden. Aber er glaubte an die Macht der Liebe und wusste, wie wichtig unsere Verbindung für uns beide sein würde. Nach dem Bootsunfall in
San Francisco hat er mir das Leben gerettet.
Und zum Schluss traf ich Mateo – ein vielversprechender junger Mann, erfüllt von Liebe für seine Familie. Mateo wurde zusammengeschlagen, weil er schwul war, und dann liegen gelassen, weil man ihn für tot hielt. Als er gefunden wurde, klammerte er sich gerade noch ans Leben, und der einzige Teil seines Gesichts, der nicht blutüberströmt war, waren die Spuren, die seine Tränen hinterlassen hatten. Mateo wurde ein Opfer von Hass und Gewalt. Hass und Gewalt, zu denen einige religiöse Führer sogar aufstacheln, ungeachtet der Tatsache, dass wir in den Augen Gottes alle gleich sind.
»Genau wie euch furchtbare Dinge widerfahren sind, mussten alle diese Menschen, denen ich begegnet bin, mit etwas fertigwerden, von dem sie glaubten, dass es über ihre Kraft ging. Krebs. Verlust des Partners. Alzheimer. Verrat. Sucht. Mord. Aber sie alle haben es durchgestanden, weil sie Mut besaßen – und die Liebe von Menschen, denen sie am Herzen lagen.«
Du musst von da runter.
Wenn die Lasershow anfängt ... wenn ich es bis zum Anfang der Lasershow schaffe ...
»Das hat mich zum Nachdenken gebracht: Was ist mit all den anderen Menschen da draußen, die sich jeden Tag aus freien Stücken mit Dingen beschäftigen, mit denen niemand etwas zu tun haben will, nur weil es richtig ist, das zu tun?«
Plötzlich zeigten die Fernsehschirme, die um die Bühne herum aufgebaut waren, das Bild eines hochgewachsenen,
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