Prophetengift: Roman
gehen.
»S’bas-chun! S’bas-chun! S’bas-chun! S’bas-chun! S’bas-chun!«
Er bekam eine Gänsehaut, grinste und musste gegen Tränen ankämpfen, so machtvoll war die Liebe, die ihm vom Publikum entgegenschlug.
»Gemeinsam werden wir die Welt verändern!«, rief Sebastian allen zu. »Gemeinsam werden wir denen helfen, die sich nicht selbst helfen können!«
Das Podest ließ ihn immer weiter in die Höhe steigen, die Menge schnappte nach Luft und applaudierte, dann setzte Tanzmusik ein und Sebastian begann auf seinem luftigen Stand herumzuwirbeln. »Ihr seid gekommen, um das Elend zu lindern«, rief er. »Ihr seid gekommen, um einander glücklich zu machen und einander zu lieben! Ihr seid gekommen, weil ihr von einem besseren Leben für alle Lebewesen träumt!« Die Scheinwerfer pulsierten, Musik dröhnte, und Sebastian sah, wie die Leute von den Sitzen aufsprangen, klatschten, stampften, jubelten, weinten.
Dann wurde das Licht langsam abgedunkelt und die Musik wurde leiser. Die Leute setzten sich wieder, das Podest sank halb durch den Bühnenboden und blieb stehen. In diesem Augenblick trafen sich die Blicke von Sebastian und Reed, die in der ersten Reihe saß, und die Liebe, die sie dabei austauschten, flammte auf und breitete sich bei beiden im ganzen Leib aus.
»Ich liebe euch alle dafür, dass ihr hier bei mir seid«, sagte er und schaute Reed direkt an. »Ich kann euch gar nicht genug danken ...«, setzte er an, als die Arena wieder zu toben begann.
Er streckte die Hände aus und es wurde ruhig.
»Ich kann euch gar nicht genug dafür danken, dass ihr heute bei mir seid«, begann er. »Ihr alle habt Opfer gebracht, um
herkommen zu können – ihr habt Karten gekauft, seid über die Freeways hergefahren, habt geparkt und den Rest des Weges zu Fuß zurückgelegt, ihr habt euren Kindern Abendbrot gemacht, bevor ihr aufgebrochen seid – und alles, was ihr getan habt, um heute hier sein zu können, rührt mein Herz« – er legte beide Hände auf die Brust – »mehr, als ihr ahnt.
Aber bevor ich anfange, euch mit dem zu langweilen, was ihr bei mir zu hören erwartet ...« – das Publikum lachte anerkennend –, »... möchte ich, dass ihr über die Fragen nachdenkt, die ich euch gleich stellen werde. Denkt über diese Fragen nach, als hättet ihr sie nie zuvor gehört. Denkt darüber nach und erlaubt euch, eure ureigene Antwort darauf zu finden. Seid ihr bereit?«
Die Arena tobte, und Sebastian wartete geduldig, bis es wieder ruhig geworden war.
»Habt ihr je etwas tun müssen, von dem ihr sicher wart, es nicht bewältigen zu können? Etwas so Schreckliches, so Schweres und so Angsteinflößendes, dass ihr vorher nicht einmal bereit wart darüber nachzudenken, wie ihr reagieren würdet, wenn der Fall eintreten sollte? Vielleicht war es der Abschied von einem kranken Vater oder einer kranken Mutter – oder einem Kind. Vielleicht habt ihr erfahren, dass euer Partner euch untreu war. Oder ihr musstet euren Hund einschläfern lassen. Oder euch von eurem besten Freund verabschieden, weil der wegzog. Vielleicht hat der Arzt euch gesagt, die Testergebnisse seien da und sehen gar nicht gut aus. Was auch immer es bei euch war, bitte habt den Mut, euch an einen dieser Momente zu erinnern, die ihr lieber vergessen würdet.«
Während Sebastian wartete, bis das Publikum in seine Erinnerungen eingetaucht war, blätterte Kitty, die abgesondert in der Steuerloge seitlich der Logenplätze saß, hastig in ihrem Manuskript. Es dauerte nur einen Moment, bis sie erkannte, dass er seine eigenen Worte vortrug und keinerlei Absicht hatte, sich an den vereinbarten Text zu halten.
Der kleine Mistkerl!
»Jetzt haltet diesen Gedanken fest, während ich euch erzähle, wo ich gewesen bin.«
Ein Scheinwerfer, der an Kerzenschein erinnerte, hüllte ihn ein, als er sich an sein Publikum wandte. »Ich bin fortgegangen, weil mir elend zumute war. Ich bekam Todesdrohungen, und einer meiner Anhänger, dessen Sohn Krebs hatte, erschoss sein Kind, seine Frau und dann sich selbst, weil ich ihn hatte glauben lassen, das Leben nach dem Tod sei besser als das Leben, das er hier führte. Ich fühlte mich furchtbar und hatte entsetzliche Schuldgefühle, weil ich ihn unbeabsichtigt in die Irre geleitet hatte. Das, was geschehen war, brachte mich so durcheinander und aus der Fassung, dass ich weglief.«
Gefahr.
Eine Welle der Übelkeit überkam ihn, aber er tat sein Bestes, es zu ignorieren. »Auf der Reise, die ich unternahm,
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