Prophetengift: Roman
Bescheid, ebenso wie du und ich. Sie war überzeugt, dass er von dem Baby wusste, dass er die Existenz des Kindes intuitiv gespürt haben musste. Und damit hatte sie vermutlich völlig recht, die arme Frau.«
57
Chuck steckte vorsichtig den Kopf zur Tür hinein.
Reed entdeckte ihn und winkte. »Wo bist du gewesen? Komm rein!«
»Wie geht es ihm?«
»Er ist stabil. Wann bist du angekommen?«
»Gegen zehn gestern Abend, aber ich wollte niemanden stören, also bin ich unten im Wartebereich geblieben.« Er rieb sich den unteren Rücken. »Die Sofas da müssen von jemandem ausgesucht worden sein, der einen verqueren Sinn für Humor hat«, lachte er.
»Du hast die ganze Nacht da unten verbracht?«, fragte Kitty.
Chuck warf ihr ein freundliches Lächeln zu. »Na, wo sollte ich denn wohl sonst sein? Ich hatte ja nie die Chance, im Krankenhaus auf die Geburt meines Sohnes zu warten, das war also längst überfällig.«
Später am Tag bekam Reed eine SMS von Ellie, die ihr mitteilte, dass sie und Coby von Sausalito unterwegs seien. Dann trafen Libby und Tess aus Big Sur ein.
»Ramon hat angeboten, dass Libby bei ihm und Maggie bleiben könnte«, berichtete Tess mit einem Grinsen, »aber das sture alte Ross wollte nichts davon hören.«
»Sie wollte mich abgeben wie einen Hund in einer Hundepension«, beschwerte sich Libby von ihrem Rollstuhl aus, »aber ich kenne den Krankenhausbetrieb nur zu gut und wollte sichergehen, dass unser Junge auch die richtige Behandlung bekommt.« Sie streckte einen gelben Schreibblock aus, der mit Kritzeleien bedeckt war. »Ich habe mir Notizen gemacht, während wir den Highway 99 runtergebrettert sind. Tess hat ständig das Tempolimit überschritten, ich dachte schon, das Klappverdeck von unserem alten Buick wird weggeweht!« Sie reichte Reed den Block. »Also, Liebes, das sind ein paar Fragen, die du den Ärzten stellen solltest.«
Reed dankte ihr und reichte Kitty den Block. »Das ist Kitty Black«, erklärte sie. »Sebastians Mutter.« Dann warf sie Kitty einen auffordernden Blick zu.
Kitty schüttelte erst Libby und dann Tess die Hand. »Vielen Dank, dass Sie gekommen sind«, sagte sie. »Sebastian spricht immer in den höchsten Tönen von Ihnen beiden. Kennen Sie Chuck Niesen schon? Er ist Sebastians ... Vater.«
»Wir sind alte Freunde«, erwiderte Tess.
Chuck beugte sich hinunter und küsste Libby auf die Wange. »Es ist schön, dich mal wiederzusehen. Schade, dass es ausgerechnet so sein musste. Geht es dir einigermaßen?«
Libby warf einen Blick auf die hingestreckte Gestalt im Bett. »Im Gegensatz dazu, fürchte ich, fühle ich mich bemerkenswert gesund.«
Chuck war kurz hinausgegangen, um eine zu rauchen, und Tess hatte Libby in die Cafeteria geschoben, sodass Kitty und Reed mit Sebastian allein waren, als die Ärztin, eine zierliche Herzchirurgin, die McTavish hieß, ins Zimmer gefegt kam und sie bat, draußen zu warten, während sie den Patienten untersuchte.
Kitty und Reed trotteten zu der trostlosen Sitznische auf dem Flur der Intensivstation, setzten sich und fingen an, abwesend die Stapel abgegriffener Zeitschriften durchzublättern.
Als der größte Teil einer zermürbenden Stunde vergangen war, tauchte die Ärztin endlich aus Sebastians Zimmer auf.
Kitty und Reed sprangen auf, um ihr entgegenzugehen. »Wie geht es ihm?«, fragte Kitty.
»Es gibt nicht nur gute Nachrichten und nicht nur schlechte«, begann Dr. McTavish. »Er ist etwas desorientiert, was auch eine Folge der Medikamente sein kann. Aber mir ist zudem ein Verlust im Kurzzeitgedächtnis und in der Konzentrationsfähigkeit aufgefallen, rapide Stimmungswechsel oder sogar ein Persönlichkeitswandel wären daher denkbar. Ansonsten scheinen seine motorischen Funktionen normal zu sein, also scheint er die Kugel, wenn Sie den Ausdruck entschuldigen wollen, ganz gut weggesteckt zu haben.« Sie lächelte und schaute von Kitty zu Reed.
»Es ist also gut gegangen?«, fragte Reed.
»Würde ich sagen«, erwiderte Dr. McTavish. »Größtenteils.«
»Und was passiert jetzt?«, fragte Kitty.
»Reha«, erwiderte die Ärztin. »Je eher wir damit anfangen, desto früher wird der Patient sich erholen. Aber das hängt von vielen Faktoren ab – Alter, Gesundheitszustand, Familiengeschichte, der Einstellung – und von der Qualität der Therapie, die er erhält.« Sie nahm ihre Lesebrille ab. »Ich werde dafür sorgen, dass er die besten Physiotherapeuten und Beschäftigungstherapeuten bekommt, und wir haben
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