Prophetengift: Roman
angesetzt war, ließ nicht locker und überwachte alle größeren Immobilien-, Auto- und Juwelentransaktionen, in der Hoffnung, auf eine Spur des Flüchtlings zu stoßen.
Nun stand wieder das Weihnachtsfest bevor, Reed hatte endlich ihre Prüfungen abgeschlossen, und ihr Ex-Freund Jeremy Tyler hatte ihnen sein Chalet in der alpinen Bergwelt von Lake Estrella angeboten. Tess war von Big Sur nach L.A. gekommen und dann mit Reed und Sebastian zum See hochgefahren.
Am Morgen nach ihrer Ankunft waren sie vom Kanonendonner eines Gewitters und einem ohrenbetäubenden Starkregen geweckt worden.
Nachdem sie geduscht und gefrühstückt hatte, beschloss
Reed, einen Topf mit ihrer Lieblingssuppe zu kochen – Tomatensuppe mit Gorgonzola –, während Sebastian einen wichtigen Anruf tätigte. Sie schnitt gerade die Zwiebeln, als sie seine Schritte hörte. Sie blickte auf. »Du gehst wieder langsamer. Machen die Schmerzen dir zu schaffen?«
»Ein wenig.« Sebastian schnitt eine leichte Grimasse und fasste sich an die Seite. »Wahrscheinlich nur der Wetterumschwung und die große Höhe. Aber ich habe nach dem Frühstück Motrin genommen, also sollte ich demnächst wieder auf dem Damm sein.«
Sie warf ihm einen besorgten Blick zu. »Hast du Fieber?«
Er lächelte und schüttelte den Kopf. »Nein.«
Reed fing an, die Tomaten in Scheiben zu schneiden. »Also, was hat die Sozialarbeiterin gesagt?«
Sebastian verschränkte die Arme vor der Brust. »Sie war sehr geschäftsmäßig, aber es kam deutlich rüber, dass sie es für keine gute Idee hält, dass ich Kontakt zu Eldons Familie aufnehme.«
»Warum denn?«
»Bislang war ja nur ein leiblicher Elternteil bekannt, die Mutter, und die ist verstorben. Wenn ich jetzt auftauche, wäre das zu verwirrend für alle. Und damit hat sie ganz recht, glaube ich.«
Reed hörte mit dem Tomatenschneiden auf und schaute ihn an. »Du stimmst ihr zu? Und was ist damit, dass jemand da sein sollte, der seinen Eltern sagt, dass sie sich keine Sorgen machen sollen, wenn ihr Sohn anfängt Stimmen zu hören?«
Sebastian seufzte. »Ich weiß. Wir sind das schon hundertmal durchgegangen. Ich habe mir das vorher nie so klargemacht, aber ich hatte Glück, dass Kitty mir keine Psychopharmaka verabreicht hat – oder Schlimmeres –, als ich anfing merkwürdige Stimmen zu hören ...«
»Als du zehn oder elf warst, wenn ich mich recht erinnere«, warf Reed ein. »Könntest du tatsächlich so lange warten, bevor
du deinen Sohn kennenlernst?«
»Wie du bereits sagtest, es geht hier nicht darum, was ich will – so sehr ich mich danach sehne, ihn kennenzulernen –, sondern darum, was das Beste für ihn ist. Aber trotzdem sollte ich seine Eltern auf das vorbereiten, was wahrscheinlich auf sie zukommt. Was ist, wenn mir etwas zustößt, bevor ich dazu komme? Im Sommer machen wir eine Tour durch Europa, und da dieser Olivier irgendwo da drüben ist, bin ich ein ziemlich leichtes Ziel.«
»Aber du sagtest doch, dein neues Security-Team sei auf so gut wie alles vorbereitet.«
»Auch hier kann jederzeit etwas passieren, Reed. Irgendein dämlicher Jugendlicher, der am Steuer eine SMS schreibt, könnte mich schon morgen zu Mateo und Libby befördern.« Er schaute sie an. »Warum nur habe ich nichts wegen Eldon unternommen, als ich Gelegenheit dazu hatte?«
»Weil du jung warst – und Angst hattest.«
»Das ist keine Entschuldigung.« Er trommelte mit den Fingern auf die Arbeitsfläche. »Als ich Amber auf Cobys Party sah, war ich nicht mehr zu jung und hatte auch keine Angst, und ich wusste, dass sie mit mir über Eldon reden wollte. Und wenn sie nicht in Begleitung dieses merkwürdigen Typen gewesen wäre, hätte ich wahrscheinlich – aber auch das ist eine dämliche Ausrede.«
»Glaubst du, es wäre alles anders gekommen, wenn du an jenem Abend mit ihr geredet hättest?«
»Klar. Aber ich habe es nicht getan und jetzt bezahlen wir alle den Preis dafür.«
»Aber du hast mir doch versichert, du glaubst, dass der Junge da glücklich ist, wo er ist.«
Einen Herzschlag später sagte Sebastian: »Du hast recht. Wenn ich in die Meditation gehe und an ihn denke, blitzt das Bild eines lächelnden blonden Jungen auf, der sich geliebt fühlt.
Aber ist er auch sicher? Was ist, wenn seine Identität enthüllt wird und die falschen Leute herausfinden, dass er mein Sohn ist? Da hätten wir einen weiteren guten Grund dafür, dass seine Eltern es erfahren sollten.« Er hielt die Nase über den blubbernden
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