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Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
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ihr die beiden Jungen sah, lehnte er sich gegen die Wand und fuhr sich mit der Hand in seine Locken. »Gott sei Dank!« Er blies hörbar Luft aus. »Ich dachte, ich tappe bis in alle Ewigkeit im Dunkeln herum!« Er versuchte, forsch zu klingen, aber Julie spürte, wie erleichtert er war.
    »Wie bist du den Cherubim entkommen?«, fragte sie.
    »Als sie sich auf euch gestürzt haben, hab ich mich in eine der Nischen gerollt. Dann wurde es plötzlich heiß. Ich dachte, ich schmelze, aber passiert ist mir nichts. Dann bebte plötzlich alles und es gab einen gewaltigen Lärm, und als ich mich traute, rauszukriechen, waren zwar diese Ungeheuer verschwunden, aber auch der Weg versperrt. Ich hab mich zurückgetastet und bin einfach weitergelaufen – immer mit den Händen an der Wand entlang.«
    »Ich bin froh, dass wir uns wiedergefunden haben«, sagte Julie.
    »Liebste Julie, die Familienzusammenführung rührt mich, aber uns läuft die Zeit davon«, sagte Nicolas und wies mit dem Kinn auf die kleine Flamme, die im Inneren der Laterne flackerte.
    Julie nickte und zusammen eilten sie weiter. Fédérics Wasserflasche war bei dem Kampf mit den Cherubim verloren gegangen, und sie hatten seit Stunden nicht getrunken. Inzwischen waren sie so ausgetrocknet, dass keiner von ihnen noch das Bedürfnis verspürte, Wasser zu lassen.
    Bei jeder Abzweigung gerieten Fédéric und Nicolas in Streit, obwohl keiner von beiden eine Ahnung hatte, welcher Weg sie aus den Katakomben hinausführen würde.
    »Mein Gefühl sagt mir, dass wir nach rechts müssen«, behauptete Fédéric, als sie sich wieder einmal entscheiden mussten.
    »Wirklich hilfreich, dass die Straßen überall gekennzeichnet sind, ganz wie du gesagt hast«, entgegnete Nicolas höhnisch.
    Julie ertrug es nicht länger. »Hört endlich auf damit!« Sie konnte kaum noch sprechen, so trocken war ihr Mund. »Geradeaus«, flüsterte sie dann.
    Widerspruchslos fügten sich die anderen. Sie schienen froh zu sein, dass jemand eine Entscheidung traf. Eine Zeit lang kamen keine weiteren Abzweigungen. Sie schoben sich gerade eben durch einen Gang, der so schmal war, dass sie nur seitwärts gehen konnten, als Fédéric »Verdammte Mäusescheiße« sagte und das Licht erlosch.

8
    Paris und die Umgebung von Montrouge, Juli 1789
    S chon wieder Finsternis. Mit klopfendem Herzen war Rubendurch die Felsengänge geirrt, überzeugt davon, Julie und ihre beiden Freunde nie wiederzusehen. Und nun, da er sie endlich gegen alle Wahrscheinlichkeit gefunden hatte, waren sie verloren.
    »Rührt euch nicht«, flüsterte Julie neben ihm. »Fasst euch an den Händen.«
    Ruben wunderte sich, wie ruhig sie blieb. Sie hätte weinen oder sich an ihn klammern müssen oder was Mädchen in solchen Augenblicken sonst taten. Sie klang müde, aber nicht ängstlich, und das half ihm, seine eigene Furcht zu bezwingen. Er tastete nach ihrer Hand, die sich warm und trocken anfühlte.
    »Haben wir es nicht richtig gemütlich?«, fragte Nicolas.
    Ruben mochte die ironischen Bemerkungen des jungen Adligen nicht. Warum begleitete er sie überhaupt, statt es sich im Palais seiner Mutter gut gehen zu lassen? Rubens Gedanken schweiften zur Comtesse. Obwohl der Gedanke an ihr Gesicht, das zugleich so schön und schrecklich gewesen war, ihn ängstigte, entdeckte er doch tief in sich immer noch einen Funken Sehnsucht nach ihr.
    »Was jetzt?«, fragte Fédéric. »Wir können nicht ewig hier stehen bleiben.«
    Ruben überlegte fieberhaft. Bisher hatten die anderen ihn nur mitgeschleppt – er war völlig nutzlos gewesen. Die fledermausartigen Ungeheuer hatten ihn in solche Panik versetzt, dass er sich verkrochen hatte, statt wie die anderen zu kämpfen. Julie musste ihn für einen Schwachkopf halten. Wahrscheinlich bereute sie bereits, ihn mitgenommen zu haben. Er fröstelte in dem kalten Lufthauch, der sich seit einiger Zeit bemerkbar machte.
    Unvermittelt blitzte ein Gedanke in ihm auf: Wenn er in einem Kamin gesteckt hatte, hatte die Luft stets von oben nach unten gezogen.
    »Wir müssen dem Luftstrom entgegengehen! Dann finden wir einen Ausgang!«
    »Du hast recht!« Julie drückte seine Hand.
    »Gar nicht so dumm, dein Bruder«, bemerkte Nicolas. »Versuchen wir es.«
    Während sie sich durch die absolute Schwärze bewegten, konzentrierte sich Ruben nur auf den Luftzug. Plötzlich fühlte er keinen Fels mehr unter seinen Fingerspitzen – sie hatten eine Kreuzung erreicht. Er schob sich an den anderen vorbei und wandte sein

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