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Prophezeiung der Seraphim

Prophezeiung der Seraphim

Titel: Prophezeiung der Seraphim Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Vassena
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gerichtet war, schien niemand bemerkt zu haben, was Ruben getan hatte. Doch das war ihre geringste Sorge, ihnen drohte aus ganz anderer Richtung Gefahr.
    »Wir sollten besser machen, dass wir wegkommen, statt uns zu zanken.« Fédéric wies mit dem Kinn auf den Ausgang.
    »Ausnahmsweise sind wir derselben Meinung.« Ohne sich umzudrehen stapfte Nicolas hinaus. Ruben streifte sich sein Amulett wieder über und folgte Julie und Fédéric, ohne dass jemand versuchte, sie aufzuhalten.
    Draußen bemerkte Julie erleichtert, dass der fremde Seraph nirgendwo zu sehen war. Sie überquerten eilig den Marktplatz und bogen in eine der schmalen Gassen. Dort blieb Nicolas stehen. »Das war wirklich dumm von dir«, sagte er und sah Ruben von oben herab an.
    Der wollte aufbegehren und ballte die Fäuste, aber Julie fasste ihn leicht am Oberarm und zog ihn zurück. »Ich verstehe, dass du dem Mann helfen wolltest, aber du hast uns alle in große Gefahr gebracht. Wenn du das noch einmal versuchst, muss ich dich daran hindern, so leid es mir tut.«
    »Wer gibt dir das Recht, über mich zu bestimmen?« Rubens Miene war verkrampft.
    »Ich trage die Verantwortung für uns alle, weil ich euch in diese Sache hineingezogen habe«, sagte Julie.
    Ruben schüttelte ihre Hand ab. »Ich mache, was ich für richtig halte. Du hast mir nichts zu befehlen.«
    Jetzt wurde auch sie wütend. »Nicolas hatte recht, du bist ein Schwachkopf!«, zischte sie. »Wenn ich das geahnt hätte, hätte ich dich nie mitgenommen.«
    »Ich habe dich nicht darum gebeten!«
    Julie wandte sich ab und stapfte die Gasse entlang. Sollte ihr Bruder doch machen, was er wollte, es war ihr gleichgültig. Wenn er von den Cherubim gefasst wurde, konnte er selbst sehen, wie er zurechtkam.
    Er muss sich erst an die Lage gewöhnen , ertönte plötzlich Songes Stimme in ihrem Kopf. Gib ihm etwas Zeit.
    Ich hatte auch keine Zeit, mich an irgendetwas zu gewöhnen , erwiderte Julie aufgebracht. Unser aller Überleben hängt davon ab, dass wir uns aufeinander verlassen können.
    »Julie, warte doch!«, rief Fédéric ihr nach. Sie seufzte und wartete, bis er und Nicolas sie eingeholt hatten.
    »Es ist alles in Ordnung«, sagte Fédéric. »Niemand ist uns gefolgt.«
    Julie nickte. Ihr war übel bei der Vorstellung, was geschehen würde, wenn die Comtesse nahe genug gewesen war, um zu spüren, dass einer von ihnen seine Gabe benutzt hatte.
    Nicolas schien ihre Besorgnis zu bemerken. »Keine Sorge, die Cherubim fliegen normalerweise nicht, solange es hell ist. Trotzdem sollten wir lieber so schnell wie möglich von hier verschwinden.«
    Julie nickte. Sie blickte kurz über die Schulter und sah Ruben mit trotziger Miene in einigem Abstand hinter ihnen herschlurfen. War sie zu hart mit ihm gewesen?
    Sie kamen wieder auf eine breitere und belebtere Straße. Die Leute gingen ruhig ihren Geschäften nach, die Abendsonne leuchtete von einem wolkenlosen Himmel, alles schien friedlich zu sein, doch Julie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass sie beobachtet wurden.
    Fédéric sah sie zuerst.
    »Da!« Er zeigte nach oben. Eine ganze Schar Cherubim glitt durch den rötlichen Himmel wie durch einen See. Elegant sahen sie aus, zu weit oben, als dass man ihre Klauen und die grässlichen Köpfe erkannt hätte, und wenn man nicht wusste, was sie waren, konnte man sie für große Vögel halten. Sie schwärmten umeinander und zogen Kreise über den Dächern, wobei sie stetig sanken – zweifellos hielten sie Ausschau nach ihrer Beute.
    Ein Mädchen, das neben ihnen an einem Wasserrohr einen Krug füllte, bemerkte ihre Blicke und legte ebenfalls den Kopf in den Nacken. Die Cherubim flogen inzwischen so tief, dass man ihre riesigen Fledermausflügel erkennen konnte. Das Mädchen schrie auf, der Krug zersplitterte auf dem Pflaster. Bevor Julie sie aufhalten konnte, jagte sie mit gebauschten Röcken die Straße hinunter, einen Arm in den Himmel gereckt. »Das Jüngste Gericht!«, kreischte sie. »Der letzte Tag ist gekommen!«
    Immer mehr Leute sahen nach oben. Als der erste Cherub mit unglaublicher Geschwindigkeit zwischen die Häuser tauchte, dicht gefolgt von der ganzen Schar, brach Panik aus. Männer und Frauen flohen schreiend, Tragekörbe rollten über den Boden und verstreuten Gemüse, Hühner liefen den Leuten zwischen die Beine und brachten sie zu Fall. Manche sanken auf die Knie, rangen die Hände und flehten um Erbarmen oder beteten lauthals.
    Doch die Cherubim interessierten sich nicht für

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