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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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nämlich langsam aus und schwimmen zum Futter.«
    Sie schüttelte den Kopf. »Das können sie nicht, der ganze Fluss ist voller Feuerquallen, nie im Leben …«
    »Ja, das haben die wohl nach den ersten paar toten Schwimmern auch schon mitgekriegt. Aber so ein Pirat ist ja nicht doof,erst recht nicht, wenn er ’ne geladene Kalaschnikow in der Hand hat, also schwimmen jetzt neben den schwarzen Leichen auch noch ein paar weiße, nämlich von der Wasserschutzpolizei. Und rate mal, wer deren Boote jetzt fährt – und sich die anderen Boote von den Anlegern holt? Wobei«, sagte er mit deutlich sarkastischem Ton und hob den Zeigefinger, »sie dabei ein klein bisschen Konkurrenz haben, denn es interessieren sich auch andere für all die leeren Millionärsvillen am Fluss. Tippen wir doch mal auf Jugendliche mit Migrationshintergrund, Vorstrafenregister und Anglerhosen. Na, welche Mutter würde da nicht sagen: kommt, Kinder, wir sitzen diese kleine Krise zu Hause aus, mit Blick auf die Elbe. « Er tippte auf den Icons herum und hielt sich den iAm ans Ohr. Fluchend.
    Der Learjet fiel in ein stummes Loch. Diesmal dauerte es fast zwei Sekunden, die Mavie wie ein ganzes Leben vorkamen, ehe die Maschine mit einem dumpfen Knall wieder etwas fand, worauf sie vorwärtsfliegen konnte. Der Pilot forderte seine Passagiere auf, die Sitzgurte geschlossen zu halten, entschuldigte sich für die raue Fahrt und verkündete, man werde in Kürze mit dem Anflug auf Genf beginnen. Mavie sah aus dem Fenster nach unten und ahnte Berge unter dem wolkigen Grau, Berge, an deren Hängen die Maschine zerschellen würde wie eine Coladose, die man mit 500 Stundenkilometern gegen eine Backsteinmauer warf.
    Während Philipp einen unsichtbaren Gesprächspartner mit einem virtuos fröhlich gespielten »Slatko, alte Socke!« begrüßte, stand Mavie auf, zog ihr eigenes Handy heraus, trat ein paar Schritte nach hinten und setzte sich in eine der leeren Reihen im Heck der kleinen Maschine. Sie schnallte sich an und wählte Edwards Nummer.
    Ihr Vater war sofort am Apparat und meldete sich mit einem skeptischen »Ja?«. Er klang müde und besorgter, als Mavie ihn je gehört hatte.
    »Hi«, sagte sie.
    »Tochterherz«, sagte er. »Ich mache mir Sorgen um dich.«
    »Das musst du nicht«, sagte sie. »Wir machen uns eher Sorgen um euch. Philipp hat eben mit seiner Frau telefoniert, und das klang nicht nach einer entspannten Lage in Hamburg.«
    »Nein, die Behörden sind überfordert. Aber das ist ja auch keinWunder. Zum Regen kommt jetzt der Sturm, beides zusammen ergibt eine Sturmflut, und die trifft die Stadt in einem äußerst ungünstigen Augenblick. Der Strom fällt weiterhin alle paar Stunden aus, die Versorgung ist, vorsichtig formuliert, sporadisch, und wie wenig wir auf eine unzuverlässige Stromversorgung eingerichtet sind, zeigt sich erst jetzt.«
    »Weil?«, sagte sie, während die Maschine weiterrumpelte und allmählich in den Sinkflug überzugehen schien.
    »Weil auch die Kanalisation teilweise elektronisch geregelt wird. Vulgo, sieh mir die unschöne Ausdrucksweise nach: Die Scheiße schwimmt in den Straßen und Kellern. Da fällt es dann kaum mehr ins Gewicht, dass auch alle Ampeln ausgefallen sind und die Handynetze sich alle paar Minuten verabschieden. Aber, um dich zu beruhigen, meine Liebe, hier draußen ist es immer noch vergleichsweise ruhig.«
    »Hast du noch Besuch?«
    Edward schwieg so lange, dass sie ein »Hallo?« hinterherschickte, weil sie dachte, die Verbindung sei unterbrochen worden.
    »Nein«, sagte er. »Momentan nicht. Ich befürchte allerdings, dass diese Leute wiederkommen werden. Was mich in eine schwierige Lage bringt.«
    Mavie sah erneut aus dem Fenster und versuchte zu verstehen, was an der Lage eines Menschen schwierig sein konnte, der mit beiden Füßen auf dem Boden stand und nicht auf dünnem, schaukelndem Blech, 10 000 Meter über gigantischen Gesteinsmassiven.
    »Aha«, sagte sie, »sag mal, Paps …«
    »Ich gestehe«, sagte er, »dass ich bei meiner ansonsten tadellosen Planung ein Detail übersehen habe, oder besser, ein Detail nicht sehen wollte.«
    »Und zwar?«
    »Es ist gefährlich, in einer Welt vorbereitet zu sein, in der sonst keiner vorbereitet ist. Aber gut, ich muss ja die Tür nicht mehr öffnen. Außer Peters ist keiner der Nachbarn bewaffnet.«
    »Was?«, sagte sie. »Was soll das denn?«
    »Und weißt du, was ich erst recht nicht bedacht habe? Diese Leute haben keine Manieren. Und keinen Begriff vom

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