Prophezeiung
mich«, sagte er. »Sturm?«
Sie schüttelte den Kopf. Er hatte recht, und sie hatte keine Korrektur anzubringen. Sie hatte noch einmal nachgesehen, in den Daten. Prometheus hatte einen Sturm vorhergesagt, allerdings nur für den Norden. Zwei Tage mit acht bis elf Windstärken bei starkem Dauerregen. Aber nicht für Südeuropa. Südeuropa hätte verschont bleiben sollen. drei bis vier Windstärken, gelegentliche Schauer. Kein Sturm.
»Und das beunruhigt uns nicht?«, sagte er.
»Und ob«, sagte sie.
»Nein, ich meinte nicht den Sturm an sich. Ich meine das Versagen deines alten Freundes Prometheus .«
»Niemand ist perfekt.«
»Wohl wahr. Aber in diesem Fall …«
Die Maschine fiel ein paar Meter tief in ein Luftloch, und als sie rumpelnd wieder auf festerer Luft landete, atmete Mavie tief durch.
»Ändert nichts«, sagte sie. »Außerdem ist es zu spät. Selbst wenn sich am Ende erweist, dass Prometheus einige Details falsch berechnet hat, die Meldung ist in der Welt, die Prognose ist in der Welt, und wir handeln.«
»Ja, und wie«, sagte Philipp. »Wir sprengen Vulkane.«
»Wird sich zeigen«, sagte sie.
»Du hast Milett doch gehört.«
»Er entscheidet das nicht allein.«
»Das sieht er aber anders.«
»Ja, meinetwegen. Aber es geht nicht um ihn. Und es geht nicht um seinen Vulkan. Du hast ihn doch gehört. Das hier, das alles, ist komplizierter, als es aussieht. Es wird Gegenstimmen geben, andere Meinungen. Und zwar nicht von irgendwelchen kleinen Klimatologinnen aus Hamburg, sondern von echten Gegnern. Crutzen kommt nach Genf, und ich glaube nicht, dass der Milett unterstützt. Und erst recht nicht die Bedenkenträger aus den Umweltministerien und die Leute vom IPCC , denn die werden auch da sein, genau die Leute, die er damals so brüskiert hat.« Sie nickte in Miletts Richtung, der neben Aldo in der Reihe vor ihnen saß, auf der anderen Seite. »Er gibt sich siegessicher, klar, aber er weiß, dass es schwierig wird. Im Konferenzraum nützt es ihm nichts, dass die Journalisten ihn lieben. Und Dixon wird da sein.«
»Wer?«
»John Dixon. Brite, wie Milett, mit Adelstitel. Hat einen exzellenten Ruf, steht aber, wie Milett selbst sagt, mit beiden Beinen auf der Payroll der Industrie. Und zwar besonders der von General Electric und dem NASP .«
»Na und?«
»Für das NASP wäre die Schwefelwolke eine Katastrophe. Jede Wolke, um genau zu sein, denn die Sonnenkollektoren brauchen möglichst strahlend blauen Himmel. Miletts Plan ist ein Frontalangriff auf das ganze NASP -Businessmodell.«
»Okay.« Philipp nickte. »Damit ich das richtig verstehe: Du reist zwar in seiner Entourage mit, aber nur, um dir dann vor Ort einen neuen Chef zu suchen und Milett in den Rücken zu fallen?«
Mavie schwieg einen langen Augenblick.
»Geht dir das nicht auch auf die Nerven?«, sagte sie.
»Was?«
»Diese Scheißspiele. Dieses Feldherrengetue. Lang lebe dasEgo! Wir haben ein Problem, ein Riesenproblem: Menschenleben sind in Gefahr, und zwar ein paar Hundert Millionen Menschenleben. Aber die zu retten, Hilfe zu leisten, die Flüchtlinge aufzufangen, so gut es eben geht, eine Riesenaufgabe – scheint irgendwie zweitrangig zu sein, höchstens zweitrangig, für alle. Schön, wenn’s passiert, schön, wenn zufällig irgendwer gerettet wird, aber nur ein Nebeneffekt. Eisele hatte seine eigene Agenda, offensichtlich, Milett hat seine eigene, auf der ganz oben steht: Vulkane sprengen, das Klima steuern, Gott sein und in die Geschichte eingehen. Und Diego will letztlich dasselbe, sonst würde er nicht diese Panikfilme machen – seinen Eintrag in die Geschichtsbücher, als dramatischer großer Warner und Mahner.«
»Schöner Vortrag«, sagte Philipp mit schiefem Lächeln. »Ich freu mich schon drauf, wenn Hannah mir so was in drei Jahren erzählt, da ist sie dann nämlich auch zwanzig.«
Sie kopierte sein schiefes Lächeln. »Ja. Hilf ihr, das zu bleiben. Achtzehn, zwanzig. Empört, wütend. Dann bleibt ja noch Hoffnung, dass ihre Generation was aus dem Rest der Welt macht, die wir so schön gegen die Wand gefahren haben. Hilf ihr, unsere lebensgefährlichen Fehler zu korrigieren. Sie hat viel zu tun.«
Diesmal schwieg er lange. Und sie konnte seinen Blick nicht deuten. Was war das, Mitleid?
Er nickte. Mehrmals, lächelnd. Dann sagte er: »Ich kann mir nicht helfen, ich mag dich.«
»Wie nett.«
»Na ja. Bedingt. Du wirst verlieren. Du wirst fürchterlich auf die Fresse fallen, man wird dich auslachen, und am
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