Prophezeiung
Flettner-Rotoren, Stückpreis 2,5 Millionen Dollar.«
»Und für den laufenden Betrieb veranschlagen wir zusätzliche 200 Millionen«, sagte Gerrittsen, immer noch fröhlich.
Mavie rechnete und kam nicht ans Ziel.
»Sofern auch noch jemand daran zu verdienen gedenkt«, sagte Gerrittsen und legte seine Serviette ab, »schlagen wir wohl besser noch einmal 300 Millionen drauf. Aber das, meine Herren, meine Dame, soll im Moment nicht unser Problem sein. Wir können ja nicht alles allein machen. Geben wir uns einstweilen damit zufrieden, dass wir technische Lösungen finden. Wir sind Forscher, keine Erbsenzähler. Kaffee?«
»Ich gehe«, sagte Sandhorst und stand eilig auf. Mayeaux erhob sich ebenfalls, räumte die Tabletts zusammen und machte eine abwehrende Handbewegung, als Mavie sich anschickte, ihm zu helfen. Er folgte Sandhorst zu den Espressoautomaten und zur Geschirrrückgabe.
»Benimmt Beck sich?«, fragte Gerrittsen.
Mavie sah ihn überrascht an. Überrascht und erfreut, dass er ihr ins Gesicht sah. »Ja«, sagte sie. »Ja, er ist … nett.«
Gerrittsen lachte. »Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.«
»Gut«, sagte Mavie. »Im Rahmen seiner Möglichkeiten. Er ist ein bisschen …«
»Ernst«, sagte Gerrittsen und nickte. »Zu wenig Lebensfreude. Immun gegen die Verlockungen der Schönheit und der Sinnlichkeit.«
Er ließ es einen Augenblick stehen. Einen Augenblick zu eindeutig. Aber sie lächelte weiter, sah aus dem Augenwinkel, dass Beck aufstand und sein Tablett zurückgab und sich in Richtung Kantinenausgang in Bewegung setzte.
Gerrittsen zuckte unterdessen kurz die Achseln und fuhr fort. »Er ist ein brillanter, akribisch arbeitender Wissenschaftler und Programmierer. Und ein sehr ernster junger Mann. Das ist seine große Schwäche, aber auch seine große Stärke.«
Beck musste auf dem Weg zum Ausgang an ihrem Tisch vorbei, hatte aber offensichtlich nicht die Absicht, ein freundliches Gesicht aufzusetzen oder Mavie und seinen Boss überhaupt wahrzunehmen. Gerrittsen ließ ihn gewähren.
»Man könnte ihn auch unfreundlich nennen«, gab er zu.
Mavie nickte, während Mayeaux und Sandhorst mit dem Kaffee zurückkehrten.
»Prometheus«, sagte Gerrittsen. »War seine Idee.«
Mavie sah ihn verwundert an.
Gerrittsen lachte. »Nein, nicht das Programm, ich bitte Sie! Der Name. Er liebt seine Mythen. Natürlich vor allem die finsteren, aber Prometheus erschien mir passend für ein Programm, das den Menschen einen Fortschritt bringt, der fast so wichtig ist wie das Feuer. Eine Formel für das Chaos.«
Mavie schwieg. Gerrittsen verstand es richtig, als Aufforderung.
»Freies Chaos«, sagte er. »Das, was uns alle wahnsinnig macht – oder gemacht hat. Abgesehen davon, dass unsere Grids viel zuweit gespannt waren, unsere Daten nicht weit genug zurückreichten und nicht hoch genug hinaus, dass unsere Rechner zu klein waren und unsere Modelle Krücken – vor allem aber, dass zwischen all den Zyklen, Algorithmen, Parametern, Variablen jenes Verbindungsstück fehlt, das genauso chaotisch ›denkt‹ wie das System Erde. Und ich gebe zu, dass es eine große Herausforderung war, dieses Verbindungsstück zu finden und in eine mathematische Form zu gießen. Das ist es, was Prometheus am Ende mitbringen wird: das Feuer, das alles in neuem Licht erscheinen lässt.«
Mavie brauchte sich keine Mühe zu geben. Das Hauchen kam ihr von selbst über die Lippen. »Das klingt … unglaublich.«
Gerrittsen sah ihr mit freundlichem Gönnerblick in die Augen und danach etwas länger auf die Brüste, dann leerte er seine Kaffeetasse.
»Das ist es«, sagte er. »Und Sie werden zu gegebener Zeit mehr darüber erfahren. Bei guter Führung«, fügte er hinzu und lächelte. Er nickte Mayeaux und Sandhorst zu, »Meine Herren«, stand auf und ging.
Und Mavie sah ihm nach. Und wusste, dass er etwas von ihr verlangte, was sie ihm nicht geben konnte. Weil sie es nicht besaß und nie besessen hatte.
Geduld.
[Menü]
7 Sie tat ja nichts Verbotenes. Sie griff lediglich vor, geringfügig, denn spätestens in ein, zwei Monaten würde Gerrittsen ihr ohnehin jeden Zugriff auf jede Datenbank und jedes Programm erlauben, so viel stand fest, sie hatte seine Andeutungen durchaus richtig verstanden. Niemand konnte etwas dagegen haben, dass sie schon vorher einen Blick riskierte. Solange es niemand wusste.
Dass sie länger als die anderen an ihrem Terminal blieb und GISP -Daten abglich, daran hatten die anderen sich
Weitere Kostenlose Bücher