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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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versuchte, an dem alles endgültig surreal geworden war. Den Moment, in dem Beck Sandhorst angerufen haben musste. Das Gespräch mit Gerrittsen, Beck und Mager. Das Danach.
    Es hatte fast drei Stunden gedauert. Man hatte sie förmlich abgeführt, zuerst aus dem Büro, in ein höchstens sechs Quadratmeter kleines fensterloses Zimmer im Keller des Haupthauses, in dem lediglich eine Patientenliege, ein Ultraschallgerät, ein Tisch voller medizinischer Utensilien und ein Stuhl gestanden hatten.
    Dorthin hatten Sandra und Enrique sie begleitet. Die Tür von außen geschlossen. Verschlossen. Sie warten lassen, eine halbe Stunde.
    Olga Fromm. Einziges weibliches Mitglied der IICO -Security-Garde. Fromm war beinahe nett zu ihr gewesen. Hatte sie höflich aufgefordert, sich frei zu machen, bis auf den Slip. Nicht ohne den Hinweis, andernfalls müsse sie, Olga, ihr behilflich sein und, falls sie es allein nicht schaffte, Enrique hinzuziehen.
    Sie hatte sich Gummihandschuhe angezogen und Mavie abgetastet, fast höflich. Danach hatte sie die Ärztin hinzugebeten, eine Frau, die sich nicht namentlich vorstellte, sondern Mavie bloß wortlos anwies, sich auf die Liege zu legen, ihr kaltes Gel auf den Bauch klatschte und ihre Innereien schallte. Sie verneinte Olgas Frage, ob ein Klistier notwendig sei. Und sie verzichtete nach einem raschen Blick in Ohren und Nase auf eine gründliche manuelle Untersuchung sämtlicher Körperöffnungen.
    Mavie hing fest, in ihren Gedanken. Sie wusste, dass all das passiert war, dass es ihr passiert war, aber sie konnte es nicht glauben.
    Das lange Warten nach der Untersuchung. Enriques nächster wortloser Auftritt, ihr Weg zum Wagen, auf die Rückbank. Wo waren ihre Sachen? Enrique schüttelte den Kopf. Reichte ihr ihren Ausweis und eine ihrer Kreditkarten sowie eine ihrer Jacken vom Vordersitz, eine Jeansjacke, ungefüttert. Zwei der Knöpfe fehlten.
    Die Fahrt zum Flughafen. Der Weg zum Automaten, hinter Enrique her. Die Bordkarte, die er für sie trug. Sein Securitypass, der ihm erlaubte, sie durch die Sicherheitskontrolle zubegleiten, bis zum Gate. Wo er schweigend neben ihr wartete. Sie eincheckte. Sein Blick in ihrem Kreuz, während sie im Schlauch verschwand und schließlich in der Maschine.
    Ihr Schweigen.
    Ihre Gedanken, immer wieder in derselben Schleife.
    Nach drei Stunden Flug griff sie nach dem Bordmagazin und las, ohne zu verstehen, was sie las. Nach dreieinhalb Stunden bat sie die Stewardess um ein Glas Wasser und einen Kaffee.
    Nach viereinhalb Stunden landete die Maschine in Hamburg, und eine halbe Stunde später, fünf Minuten nach Mitternacht, stand Mavie draußen vor der Ankunftshalle, unter einem Vordach geschützt vor dem Regen, der unablässig fiel.
    Hinter ihr, im Inneren des Gebäudes, tauchte ein schwarz uniformierter Mann auf, eine Pistole an der Hüfte, und verriegelte den Airport. Mitternacht in Hamburg. Sie war tatsächlich wieder zu Hause, auf dem einzigen größeren europäischen Flughafen, der nachts geschlossen blieb.
    Taxi?, fragte eine Stimme.
    Sie schüttelte den Kopf, unsicher.
    Wohin?
    Sie sah den Fahrer an, der sie angesprochen hatte. Ein junger Mann. Schlecht rasiert. Kaugummi kauend. Freundliches Gesicht.
    Ob sie sich sein Handy leihen dürfe? Für zwei oder drei Telefonate?
    Er sah sie verwundert an. Aber er erlaubte es, nachdem sie ihm versprochen hatte, er dürfe zehn Euro mehr von ihrer Kreditkarte abbuchen, als der Taxameter am Ende der Fahrt auswies.
    Sie erreichte Helen nicht. Sie erreichte Daniel nicht.
    Sie erreichte ihren Vater.
    Ob sie bei ihm übernachten dürfe?
    Er stellte keine Fragen. Natürlich.

[Menü]
    11 Der Fahrer des Taxis spähte durch die winternackten Laubbäume zur Fahrbahnrechten und zog die Augenbrauen hoch, während er den Rechnungsbetrag von Mavies Kreditkarte abbuchte – unter Verzicht auf die versprochenen zehn Euro Handynutzungsgebühr, denn die 98 Euro, die der Taxameter für die Fahrt vom Hamburger Flughafen nach Buchholz auswies, erschienen ihm offensichtlich ausreichend als Honorar für die erbrachten Leistungen.
    »Das ist ja ’ne schräge Bude«, sagte er.
    »Eher rund als schräg«, sagte Mavie abwesend, ohne nach rechts zu sehen, und nahm die Karte entgegen.
    Der Fahrer lachte. »Wie kriegt man denn für so was ’ne Baugenehmigung?«
    »Mit sehr viel Geduld.«
    Und dann stand sie draußen, vor dem Grundstück. Ohne Tasche. Wie ausgeraubt oder ausgesetzt. Vor dem runden Haus, in dem sie ihre Kindheit und Jugend

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