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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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erneut zu kontaktieren, seine Fühler ausgestreckt in die alte Geschäftswelt und hatte im Herbst wieder anfangen sollen, ehrgeizig, diesmal nicht mit Flugzeugen, sondern mit landwirtschaftlichen Maschinen.
    Aber dann war ihm der 11. September dazwischengekommen. Seither hieß Edward Hellers einziges Projekt »Die ganze Wahrheit«. Seither galt er seinen Freunden von einst nicht mehr nur als Apokalyptiker und Paranoiker, sondern zudem als durchgedrehter Konspirologe.
    Was Mavie normalerweise wahlweise bloß lustig oder lästig fand.
    Aber jetzt war es genau das, was sie brauchte.
    Sie hörte Dubya im Haus anschlagen, genau zweimal, als sie sich der Haustür näherte. Dann öffnete ihr Vater, den Golden Retriever mit den sanften Augen neben sich, und hieß seine Tochter mit einem ernsten Lächeln willkommen.
    »Du hast hoffentlich Hunger«, sagte er.
    Sie lächelte. Nickte. Sie erwiderte seine Umarmung und war froh, zu Hause zu sein.
    Aber das sollte sich rasch legen.

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    12 Auch nach dem zweiten Glas Barolo konnte sie noch nicht glauben, dass er, ausgerechnet er, sie hängen ließ. Ja, seine vegetarische Lasagne war wunderbar gewesen, ja, die Bio-Rohmilchkäseauswahl, die noch auf dem Tisch stand, exzellent und genau nach ihrem Geschmack, und nein, das konnte einfach nicht sein. Sie hatte ihm geschildert, was sie gesehen hatte und was geschehen war, sie war sicher gewesen, dass er das ganze Ausmaß der Verschwörung erkannte, in die sie hineingeraten war – und er blieb skeptisch. Mehr als skeptisch. Schwieg, hörte zu, ließ den Wein im Glas kreisen, schürzte nachdenklich die Lippen, mit bedauerndem Gesichtsausdruck. Schüttelte den Kopf.
    »Tut mir leid, Mädchen, aber das ergibt keinen Sinn.«
    Mädchen. Sie biss die Zähne zusammen. Zum Glück hatte sie gerade ein Stück Käse und einen Cracker dazwischen. »Welcher Teil?«, sagte sie. »Dass die mich behandeln wie eine Terroristin oder dass sie eine globale Katastrophe auf ihrem Rechner haben?«
    »Sie haben dich nicht behandelt wie eine Terroristin, sondern wie einen Industriespion. Hättest du das unter meiner Führung gemacht, in meinem Team, hätte ich dich genauso hinausgeworfen.«
    »Aber nicht vorher nackt ausgezogen.«
    »Doch. Die Chips waren zu meiner Zeit zwar noch etwas größer als heute, aber ohne gründliche Leibesvisitation hätte auch ich dich nicht gehen lassen.«
    »Begründung? Deine neue Angestellte hat sich etwas angesehen, was du ihr sowieso irgendwann gezeigt hättest?«
    »Das ist nicht der Punkt. Es geht um Regeln, Hierarchien und Befehlsketten. Du hast dich disqualifiziert, du hast dich als unzuverlässig erwiesen. Und ganz gleich, was das Ziel dieses Unternehmens ist – Insubordination ist inakzeptabel.«
    »Gut«, sagte sie. »Ist angekommen. Verstanden. Ganz deiner Meinung, Leute wie mich kann man nicht brauchen.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Ich hab schon verstanden, was du gesagt hast.« Sie nahm einen Schluck Wein und nickte eine ganze Weile energisch vor sich hin. »Bleibt die Prognose. Was ist damit? Wer ist hier der Verschwörungstheoretiker, du oder ich?«
    »Das sind wir beide nicht, will ich hoffen.« Er sah sie an, brachteein ernstes Lächeln zustande und schenkte ihr und sich selbst etwas Wein nach. »Wir sind beide logisch denkende Menschen. Hoffentlich beide. Ich jedenfalls entwickle keine Verschwörungstheorien, wo Verschwörungen keinen Sinn ergeben. Es gibt Absprachen, und diese Absprachen dringen nur in den seltensten Fällen an die Öffentlichkeit, aber sie müssen ein klares Ziel haben, zumindest ein klares denkbares Ziel. In der Regel ist das die Maximierung des Nutzens oder des Gewinns derer, die die Absprache treffen. Ganz gleich, ob es sich dabei um ein Kaffeerösterkartell handelt oder die Aktivitäten von Geheimdiensten, die ihrer Regierung die Legitimation verschaffen wollen, einen Krieg zu beginnen. Und in dem hier vorliegenden Fall sehe ich, bedaure, keinen Profiteur. Ergo auch keine Verschwörung.«
    »Und ich sehe das, was ich sehe – nämlich die Prognose eines bahnbrechend exakten Programms, nach der uns eine Katastrophe bevorsteht.«
    »Mavie«, sagte Edward, beugte sich vor und betrachtete für einen Augenblick den Inhalt seines Weinglases. Er wählte seine Worte mit Bedacht, dann sprach er sie aus. »Kein Weltverschwörer macht Bedrohungen kleiner, als sie sind. Das Gegenteil ist der Fall. Angst verkauft – Versicherungen gegen Unfälle, Zahnpasta gegen Parodontose, neue

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