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Prophezeiung

Prophezeiung

Titel: Prophezeiung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Böttcher
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und athletischer Körper schein all die rohen Fische prima verkraften zu können.
    Na, immerhin?
    »Was soll das denn heißen?«
    »Auch noch Veganer wäre zu viel gewesen.«
    »Zu viel?«
    Er gestikulierte mit seinen Stäbchen zwei, drei Kreise in die Luft, ohne sie anzusehen. »Na, neben dem ganzen Öko, Klima, politisch vollkorrekt.«
    »Wende dich an meinen Vater«, sagte sie. »Alles seine schlechte Erziehung. Es ist nicht deine Schuld, dass die Welt ist, wie sie ist, es ist nur deine Schuld, wenn sie so bleibt. « Sie zuckte die Achseln. »Da ergibt sich dann die Berufswahl von selbst, mehr oder weniger.«
    Er nickte. »Fein. Muss es ja auch geben. Wo wären wir sonst? Wenn alle so wären wie ich, egoistische Machos, die nur an ihren Kontostand denken.«
    »Dynamite fishing for compliments?«
    Er ließ seine zerknüllte Serviette auf den Teller fallen und nickte kurz. »Stimmt, Blödsinn in ’nem Teich aus Granit.«
    Sein iAm bettelte mit dem Raiders March um Aufmerksamkeit. Er sah fragend auf das Display, und seine Miene verändert sich. Es war ein Lächeln, das sie noch nicht kannte, ein weiches, liebevolles Lächeln. Er nahm den Anruf entgegen. »Hey, Hannah.« Er hörte einen Augenblick zu, dann unterbrach er die Anruferin, sehr höflich. »Große, ich rufe dich in einer Minute zurück, und dann quatschen wir, okay? Muss nur noch kurz … ja. Bis gleich.«
    Er sah Mavie an. »Tochter. Das dauert jetzt einen Augenblick, geht nicht anders. Sie hat den vollsten Terminkalender der Welt, ich kriege nur einmal in der Woche einen Termin, und zwar immer unverhofft, also: jetzt oder nie. Und ich fürchte, ich muss ihr das mit ihrer Tante sehr schonend beibringen. Frag mich nicht, wie.« Er sah sie an und atmete bekümmert tief ein und wieder aus. Dann zuckte er die Achseln, mit einem traurigen Lächeln. »Wein?«
    Sie nickte. »Rot.«
    Er erhob sich, trat hinter den Tresen, holte nach kurzem Suchen eine Flasche heraus, entkorkte sie, hielt sich die Flasche kurz prüfend unter die Nase und schenkte dann in zwei Ballons großzügig ein.
    Sie stand auf, als er mit den Gläsern zurückkehrte, er reichte ihr das eine. »Rancia«, sagte er, »ein guter Freund. Schwer genug für einen ruhigen Schlaf, freundlich genug für einen konzentrierten Morgen danach.«
    »Danke«, sagte sie. »Ich nehme ihn mit ins Bett, wenn du erlaubst.«
    »Klar«, sagte er und hob das Glas einen Millimeter höher.
    »Möge sie recht gehabt haben«, sagte er und fügte hinzu, mit einem Blick nach oben: »Möge das alles stimmen, Cara, alles, was du immer über diesen Scheiß erzählt hast, über Seelenwanderung, Seelenwiesen und Nirwana und dass danach kein Kummer mehr ist, nur Licht. Aber hier ist Kummer, und du kannst dir, verdammte Scheiße, gar nicht vorstellen, wie sehr du hier fehlst.«
    Er sah wieder Mavie an, und seine Augen waren feucht.
    Sein Glas stieß gegen ihres, leicht.
    »Auf Helen. Auf ein Wiedersehen.«
    »Auf ein Wiedersehen«, sagte Mavie.
    Und hob den Arm, legte ihn um seine Schultern und hielt ihn fest, so wie auch er sie festhielt, mit einem Arm, Seite an Seite, Kopf an Kopf, für einen langen Augenblick.
    Bis er sich von ihr löste, mit einem schwachen Lächeln noch einmal ihr Glas mit dem seinen berührte und beide die Gläser zum Mund führten und den Blick gen Himmel wandten.
    »Bis morgen«, sagte Mavie leise.
    Er nickte. »Sieben Uhr?«
    Sie nickte. Und wandte sich ab und ging und hörte, wie er mit neuer Stimme seine Tochter begrüßte. Weicher, optimistischer, stark und zuversichtlich. Für einen egozentrischen Macho, der nur an seinen Kontostand dachte, waren seine Blicke und seine Tonfälle ein bisschen zu facettenreich, aber Mavie war finster entschlossen, all das geflissentlich zu ignorieren. Denn was sie bei einer Konfrontation mit denen garantiert am allerwenigsten brauchte, war ein sanfter Mann, der sich seiner Tränen nichtschämte. Sie brauchte einen Begleiter, der ein breiteres Kreuz hatte als sie selbst, der lauter werden konnte als sie und bei Bedarf zuschlagen und echten Schaden anrichten.
    Heulen konnte sie selbst, und garantiert besser als er.

[Menü]
    15 Mavie nahm erleichtert zur Kenntnis, dass er morgens nicht redete, denn auch sie selbst brachte vor dem zweiten Kaffee meist nur schlecht gelaunte Bemerkungen zustande. Außerdem nahm sie zur Kenntnis, dass er Cornflakes in den gleichen absurden Mengen zu sich nehmen konnte wie Sushi. Und dass er gute Essmanieren hatte, bolzengerade saß und nicht

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