Prophezeiung
schmatzte, was nicht zum Etikett neureich passte, mit dem sie ihn intern versehen hatte. Das »von« in seinem und Helens Familiennamen, für Generationen lediglich Ausdruck längst vergangenen Wohlstandes, betrachtete er offensichtlich als Ansporn, wenigstens in Sachen Körperhaltung.
Sie fuhren mit dem Lift in den Keller, und als sie die Tiefgarage betraten, zog Philipp seinen Schlüssel heraus und entriegelte den dunkelblauen Porsche, der in der Parkbucht direkt neben der Glastür hockte. Er ging voraus, öffnete die Beifahrertür und hielt sie Mavie auf. Mavie nickte dankend und fragte sich, ob ihr überhaupt schon mal jemand die Autotür aufgehalten hatte. Wozu gab es Zentralverriegelungen?
Er stieg ein. Und sagte entschuldigend: »Hat einen CO 2 -Fänger.«
Was sie regelrecht sensibel fand. Regelrecht süß. Und deshalb schrecklich. Denn süß passte zu ihrem Begleiter wie rosa Hausschuhe zu Bruce Willis. Süß passte zu Daniel oder jedem anderen lieben und ungefährlichen Jungen. Aber nicht zu Philipp. Ein Porschefahrer und Börsengewinner hatte sich entweder scheiße zu benehmen oder kernig, aber bestimmt nicht süß.
»Netter Versuch«, sagte sie. »Fährt der auch?«
Philipp runzelte müde die Stirn und startete den Wagen. Mavie hatte sich nie für Autos interessiert, aber das satte Blubbern klang alles andere als politisch korrekt. CO 2 -Fänger hin oder her.
»Ich dachte nur«, sagte er, während sie lärmend aus der Garage rollten.
»Was?«, sagte sie. »Dass ich aussehe wie eine Öko-Trulla?«
»Du siehst nicht so aus, du bist eine.«
»Und deshalb meinst du, dein CO 2 -Fänger imponiert mir?«
Er schüttelte den Kopf. »Dir imponieren im Zweifel nur Professoren mit langen Veröffentlichungslisten. Ich dachte nur, ich säge mal ein bisschen an deinen Vorurteilen.«
»Die da wären? Erzkapitalistischer Börsenglückspilz ohne Gewissen, Macho, Frauenheld und oberflächlicher Nichtsnutz?«
Er nickte, ohne den Blick von der Straße zu wenden. »Im Groben.«
»Und daran sägt dein CO 2 -Fänger?«
»Auch der, ja.« Er warf ihr einen kurzen Blick zu, ein gönnerhaftes Lächeln, das sie nicht mochte. »Glaub mir, ich hab ’ne Menge Bäume gepflanzt. Oder pflanzen lassen, aber im Ergebnis kommt das ja auf dasselbe raus.«
Sie fragte nicht, welche Art von Bäumen. Vielleicht hatte er ja zufällig die richtigen ausgesucht. Oder aussuchen lassen. Bäume, die CO 2 speicherten, aber keine Wärme. Helle Blätter.
Stattdessen fragte sie ihn nach seiner frisch bandagierten Hand. Was er gemacht habe. Ob er überhaupt fahren könne.
Er antwortete mit einem Laut, der sie beruhigte. Einem verächtlichen Laut, der besagte, er könne notfalls auch ohne Arm fahren und lasse sich garantiert nicht von einer Fleischwunde beeindrucken. Oder einer Feuerqualle, denn so eine hatte ihn verletzt. Die Erklärung dauerte dann ein bisschen länger, fast die ganze Strecke von seinem Apartment bis zur Autobahn. Er hatte beim Vertäuen seines Bootes ins Wasser gefasst, ohne richtig hinzusehen, und ein Seewespennest erwischt. Sein Boot war ein Segelboot, das an seinem persönlichen Anleger im Elbwasser lag, am Falkensteiner Ufer, östlich von Blankenese. Nur einen Steinwurf von seinem Haus entfernt, in dem seine Kinder wohnten. Sowie die Frau. Er sagte nicht seine. Alles andere war seins, die Frau nicht. Was alles andere betraf, sah die Frau allerdings alles anders, denn sie meinte, alles gehöre ihr: sein Boot, sein Haus, seine Autos, sein Geld. Damit würde sie zwar nicht durchkommen, wie er ausführte, denn in Deutschland wurde ja seit 2010 nicht mehrnach mittelalterlichem Recht geschieden, andererseits hatte er ihr dummerweise manches überschrieben, zu besseren Zeiten, als er sie noch gemocht hatte, die Frau, als er seine frühen Netz-Millionen gemacht hatte, lange vor dem Web 2.0, und jetzt gehörte ihr, wenn auch nur pro forma, sein Haus. Das er natürlich wiederhaben wollte. Schließlich hatte er es verdient, gekauft und bezahlt, nicht sie. Es folgte ein längerer Vortrag über die zukünftige Ex und ihresgleichen. Über Karla und all ihre Schwestern im Geiste, einst hübsche Frauen, die meinten, es reiche als Lebensaufgabe, das Geld ihrer Männer auszugeben und die Kinder zu betreuen. Beziehungsweise betreuen zu lassen, sprich im Fond eines dicken SUV zum Weltwissen-der-Siebenjährigen-Unterricht zu kutschieren und danach selbst ein Magisterstudium in Wellnessanwendungen hinzulegen. Er fügte hinzu, sie könne
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