Prost Mathilda - von Wolke sieben ab in den Vollrausch
Conni später in die Küche kam, noch immer mit zerzausten Haaren und dunklen Schatten unter den Augen, regte sie sich furchtbar auf.
„Warum hast du Merle nicht geweckt?“, fuhr sie Mathilda an.
„Ich habe doch gesagt, dass ich es nicht machen werde“, verteidigte sie sich.
„Das sagst du doch jeden Morgen und machst es dann trotzdem.“
Mathilda biss in ihren Toast und zog es vor, zu schweigen.
Conni gähnte und schien sich etwas beruhigt zu haben. „Na ja, wahrscheinlich hast du recht.“ Müde setzte sie sich an den Küchentisch und legte die Beine auf einen Stuhl. „Merle muss endlich begreifen, dass sich nicht die ganze Welt nur um sie dreht.“
Das sagt die Richtige, schoss es Mathilda durch den Kopf. Seit der Trennung ihrer Eltern kam es Mathilda manchmal so vor, als ob sich ihre Mutter in eine fremde Frau verwandelt hätte. Ständig war sie schlecht gelaunt und immer öfter versuchte sie, ihren Frust und ihre Enttäuschung mit unzähligen Gläsern Rotwein herunterzuspülen.
Ein leises Piepsen aus Connis Handy riss Mathilda aus ihren trüben Gedanken.
„Du hast eine SMS bekommen“, sagte Mathilda und wollte nach dem Handy greifen. Conni war schneller.
„Mistkerl!“, schimpfte sie, nachdem sie die Nachricht gelesen hatte.
Mit dem ausgestreckten Zeigefinger tippte Conni in rasender Geschwindigkeit auf der Tastatur ihres Handys.
„Dieser verdammte Mistkerl hat mal wieder einen Termin platzen lassen. Treibt sich lieber mit seiner Neuen herum ...“
Natürlich wusste Mathilda, wer gemeint war. Der Mistkerl war ihr Dad. Und er war immer schuld, wenn Conni sich so aufregte.
„Dieser Verräter ... dieser ...“
Mathilda reichte es.
Ohne ein Wort sprang sie auf, lief in den Flur, packte ihre Schultasche und riss die Wohnungstür auf.
„Ich kann es langsam nicht mehr hören!“, rief sie in die Küche zurück, bevor sie die Tür hinter sich zuknallen ließ.
Als sie vor dem Haus stand, fühlte Mathilda sich wie befreit. Sie lief den Gehweg hinunter und nahm sich vor, nicht einen Gedanken mehr an ihre ständig streitenden Eltern zu verschwenden. Doch sosehr sie sich auch anstrengte, ihre Gedanken verirrten sich immer wieder dorthin. Sie musste an den Tag denken, an dem ihre Eltern ihr gesagt hatten, dass sie sich trennen würden. Seitdem war alles ganz anders – seitdem fühlte sich nichts mehr richtig an.
Mathilda war so in ihren Gedanken versunken, dass sie den Typen, der neben ihr aufgetaucht war, erst gar nicht bemerkte. Als er sie von der Seite ansprach, zuckte sie deshalb erschrocken zusammen.
„Mann, bist du aber schreckhaft“, sagte er.
Mathilda spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg.
„Hi!“, erwiderte sie leise und wischte sich verstohlen über das Gesicht.
Der Typ grinste unverschämt. „Du musst doch nicht gleich knallrot werden, nur weil ich mit dir rede.“
Was für ein eingebildeter Idiot, dachte Mathilda und beschleunigte ihren Gang. Doch so leicht ließ er sich nicht abwimmeln.
„Fräulein Goldlöckchen ist aber gleich empfindlich“, ätzte er weiter und wich nicht von ihrer Seite.
Mathilda starrte stur geradeaus. Der Typ begann sie langsam richtig zu nerven.
In der Ferne erkannte sie ein paar Jugendliche, die sie schon ein paarmal in der Schule gesehen hatte. Am liebsten hätte sie ihnen zugerufen, sie mögen auf sie warten. Doch Mathilda kannte keinen von ihnen näher. Und außerdem wäre eine solche Reaktion sicherlich auch völlig übertrieben, schoss es ihr durch den Kopf. Irgendwann musste der Typ ja wohl mal kapieren, dass sie kein Interesse an einem Gespräch mit ihm hatte.
„Warum bist du eigentlich so zickig?“, redete er weiter auf sie ein, während er versuchte, mit seiner Hand in ihre Haare zu greifen.
Mathilda blieb ruckartig stehen und funkelte ihn wütend an.
„Wag es bloß nicht, mich anzufassen“, keifte sie. „Was willst du eigentlich von mir?“
„Immer schön locker bleiben, Goldlöckchen, immer schön locker bleiben.“ Sein Grinsen war einfach nur widerlich.
Mathilda blickte sich unauffällig um. Aber außer ein paar Leuten, die sich in einiger Entfernung von ihnen auf der Straße befanden, und ein paar Autos, die zügig an ihnen vorbeifuhren, entdeckte sie niemanden. Die Jugendlichen aus ihrer Schule waren inzwischen ganz aus ihrem Sichtfeld verschwunden.
„Was ist? Überlegst du, wer von den Piepels dir zu Hilfe eilen könnte?“
Mathilda warf ihm einen verächtlichen Blick zu. Dieser blöde Typ hatte doch
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