Prost Mathilda - von Wolke sieben ab in den Vollrausch
„Prost Mathilda, alle Männer sind Schweine!“– das Zerspringen einer Flasche. Ihr Dad mit seiner Julia – Tom, immer wieder Tom. Wie er sie wegschubste und den Arm um ein anderes Mädchen legte.
Die Bilder verschwammen ineinander, wurden immer greller und wirrer. Mathildas Magen drehte sich um, in ihrem Kopf begann es zu schwirren – immer schneller und schneller. Sie hielt sich die Hand vor den Mund, schmeckte den säuerlichen Geschmack von erbrochenem Rotwein auf ihrer Zunge, die schleimige Galle rann ihr durch die Finger, lief an ihren Armen herunter und tropfte auf ihre Hose. Der Boden unter ihren Füßen begann zu schwanken, sie torkelte einen Schritt zur Seite, versuchte zur Bank zurückzukommen, stolperte vorwärts und fiel der Länge nach vornüber.
Bevor sie auf dem harten Schotterweg aufschlug, hatte sie das Bewusstsein schon verloren.
Weil ich Streit mit meinen Eltern hatte und dazu Stress in der Schule, betrank ich mich gemeinsam mit einem Freund. Den Wodka hatte mein Freund besorgt. Aber den größten Teil habe ich davon getrunken – bis ich nicht mehr ansprechbar war und in die Notaufnahme gebracht werden musste. Am nächsten Morgen bin ich erst wieder zu mir gekommen. Ich konnte mich an nichts mehr erinnern. Totaler Filmriss
.
Wir haben dann noch öfters mal was getrunken. Aber bis zur Alkoholvergiftung ist es bislang nicht mehr gekommen
.
Bernie, 13 Jahre
Hey, mach die Augen auf ...
Mathildas Hals tat weh. Entsetzlich weh. Als wenn jemand mit einem spitzen Gegenstand in ihrer Kehle herumgestochert hätte. Vorsichtig öffnete sie die Augen. Ein fieser Lichtstrahl schoss ihr schmerzhaft in die Pupillen, sodass sie stöhnend ihre Augen wieder schloss.
Was ist geschehen? Mathildas Hirn arbeitete angestrengt an einer Erklärung. Doch da war nur völlige Leere.
Eine Stimme drang wie aus weiter Ferne zu ihr vor.
„Mathilda, Schatz, wach doch auf ...“
Die Stimme erinnerte sie an Conni. Aber das konnte nicht sein. Wie sollte Conni hierher gekommen sein? Sie kannte doch Mathildas Bank im Park überhaupt nicht.
„Bitte, Schatz, mach die Augen auf ...“
Mach die Augen auf? Komisch, dachte Mathilda, während sie ihre Augen noch fester zusammenkniff. Warum lag sie eigentlich hier und hielt die Augen fest geschlossen? Weil die Sonne sie so blendete?
„Frau Nielsen?“ Plötzlich war da noch eine zweite Stimme. Im nächsten Moment wurde ein Stuhl geräuschvoll gerückt und die Stimme, die sich nach Conni anhörte, meinte: „Kann ich nicht hier bleiben?“
„Es wäre besser, wenn ich mit ihrer Tochter alleine sprechen könnte. Glauben Sie mir bitte.“
Eine kühle Hand legte sich auf Mathildas Wange und Connis Stimme war ganz nah an ihrem Ohr. „Ich bin gleich wieder zurück, Schatz. Es wird alles gut. Das verspreche ich dir.“
Wieder wurde ein Stuhl gerückt und einen kurzen Moment später eine Tür geöffnet und leise wieder geschlossen.
„Hallo Mathilda“, sagte die zweite Stimme und Mathilda beschloss, dass es jetzt wohl an der Zeit wäre, die Augen zu öffnen. Blinzelnd unternahm sie einen halbherzigen Versuch. Durch einen milchigen Schleier hindurch erkannte sie das Gesicht eines jungen Mannes direkt vor sich. Mathilda ließ die Augen geöffnet. Auch wenn das grelle Licht schmerzte und ihr die Tränen in die Augen trieb.
„Wo bin ich? Wer sind Sie?“, krächzte sie.
„Du bist im
Kinderkrankenhaus auf der Bult
in Hannover. Du wurdest gestern Nachmittag hier eingeliefert“, erwiderte der Mann mit ruhiger Stimme – so ruhig, als wenn es völlig normal wäre, dass sie im Krankenhaus lag.
„Warum?“ Mehr brachte sie dennoch nicht über die Lippen.
„Du hattest eine Alkoholvergiftung. Man hat dich im Stadtpark gefunden. Im Gebüsch. Neben dir lagen drei leere Flaschen Rotwein. Deinem Zustand nach zu urteilen, hast du die alleine ausgetrunken. Aber du hast dich doch schon mit dem behandelnden Arzt unterhalten. Kannst du dich daran auch nicht mehr erinnern?“
Alkoholvergiftung? Im Stadtpark gefunden? Mit dem Arzt unterhalten?
Mathilda suchte verzweifelt nach den Bildern in ihrem Kopf. Aber da war nichts. Kein Bild, kein Gedanke. Nur absolute Leere. Totaler Filmriss.
„Ich kann mich nicht erinnern.“ Ihre Kehle brannte bei jedem Wort, als wenn sie heiße Kohlen verschluckt hätte. „Kann ich etwas zu trinken bekommen?“ Und weil ihr die Bitte plötzlich selbst etwas komisch vorkam, fügte sie hinzu „Wasser, kann ich etwas Wasser bekommen?“
„Klar doch“,
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