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Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Psalms of Isaak 01. Sündenfall

Titel: Psalms of Isaak 01. Sündenfall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Scholes
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er. Die Träume haben große Macht.«
    »Was bedeuten sie?«
    Das Mädchen lachte. »Wenn ich wüsste, was sie bedeuten, weshalb sollte der Sumpfkönig dann dich herbeirufen?«
    Neb blickte sie an. Sie wirkte nicht so schmutzig, wie er gedacht hatte. Vielleicht war es auch das Licht. Ihre großen braunen Augen hatten Fältchen an den Rändern, als würde sie viel lachen. Aber es gab ebenso Vertiefungen, die darauf hindeuteten, dass sie auch viel weinte. Als sie lächelte, waren ihre Zähne gerade und weiß.
    »Vielleicht bedeuten sie gar nichts«, sagte Neb.
    Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Das ist unwahrscheinlich. Die meisten Träume bedeuten etwas.« Sie seufzte. »Aber ich hoffe, dass du recht hast.«
    Neb sah, dass dieser Gedanke sie erleichterte. »Weshalb hoffst du, dass ich recht habe?«, fragte er.
    Sie blickte selbst einen Augenblick lang auf den Götzen, dann sah sie wieder Neb an. »Weil die Träume behauptet haben, dass durch die Sünde der Androfranziner viele ihren zweiten Tod im Feuer finden würden.« Sie schauderte, als sie die Worte sagte.
    »Und damit habe ich etwas zu tun?«, fragte Neb, seine Stimme plötzlich leise.
    »Du bist in den Träumen aufgetaucht. Wenn der Sumpfkönig wüsste, weshalb, dann wärst du nicht hier.« Sie streckte ihm die Hand hin und zum zweiten Mal nahm er sie.
    Tatsächlich hatte er noch nie zuvor die Hand eines Mädchens gehalten. Darüber hatte er nie groß nachgedacht. Den Waisen riet man in dem von Männern beherrschten Orden vom anderen Geschlecht ab. Gewiss gab es einige Sonderregelungen, nach denen Androfranziner heiraten konnten – aber nicht viele, nicht einmal wenn unerwartete Kinder im Spiel waren. Ihre Hand war erdig, trocken und fest, nicht annähernd so, wie er sich es anfangs vorgestellt hatte. Er ließ sich von ihr durch die Hintertür der Höhle führen.
    Neb dachte über das Mädchen nach. Sie musste die Dienerin des Sumpfkönigs sein, vielleicht sogar eine Tochter, was nach seinem Verständnis der Welt seltsam schien, da die anderen Armeen niemals auf den Gedanken verfallen würden, Kinder mit auf das Schlachtfeld zu nehmen.
    Aber sie war eigentlich kein Kind. Vermutlich in seinem Alter, ein Jahr hin oder her. Vielleicht sogar ein wenig älter.
    Außerdem waren dies die Sümpfler. Vielleicht war sie aus Gründen hier, die finsterer waren, als er es sich vorstellen wollte.
    Neb folgte ihr, als sie ihn in einen Anbau führte, der ein Feuer und einen großen, dampfenden Kessel mit dickflüssigem Eintopf beherbergte. Sie nahm Teile von zerbrochenem Geschirr, die sie als Löffel verwendete, um etwas von dem klebrigen Zeug in zwei Holzschüsseln zu schöpfen. Ein stechend süßer Geruch stieg ihm in die Nase.
    Neb hockte sich neben dem Sumpfmädchen in den Schlamm, aß seinen Eintopf und lauschte der Kriegspredigt, die hinaus in die Nacht dröhnte.
    Vlad Li Tam
    Vlad Li Tam lauschte der Stimme im Wind und nickte langsam. »Er predigt wieder«, sagte er. Sein Diener berührte mit einem langen Streichholz die Kammer der verzierten Pfeife, und Vlad Li Tam sog den Kallabeerenrauch in die Lunge.
    Er klärte ihm den Kopf, indem er seinen Verstand verlangsamte. Er fing ihn in einem warmen Meer der Euphorie auf, die ihn lebendig erhielt und ihm den Biss gab, den er brauchte, um zu tun, was getan werden musste.
    Sie lagerten offen, da sie nichts zu verbergen hatten – eine kleine Karawane aus Wagen, rings um ein paar Zelte aufgestellt. Vlad erwartete durchaus, mit allen beteiligten Parteien zu verhandeln, vielleicht mit Ausnahme des Sumpfkönigs. Diesen Teil der Welt hatte das Haus Li Tam lange vor seiner Zeit aufgegeben. Er war nicht sicher, wie viele Söhne und Töchter die Li Tam nach Norden gesandt hatten, um ihrem Vater einen Weg in diesen verkümmerten Ort zu erkaufen. Kein Einziger war angenommen worden. Einige hatte man getötet. Vor mindestens dreihundert Jahren hatten sie die Versuche aufgegeben. Er hatte in den Archiven davon gelesen.
    Er stieß den violetten Rauch aus und beobachtete, wie er in der Nachtluft auseinandertrieb.
    »Ich werde morgen Rüstung tragen«, sagte Vlad Li Tam zu seinem Adjutanten und dem kommandierenden Sergeant. »Und ein Schwert.«
    Sie nickten beide.
    »Ich vermute, man wird Petronus’ Eingreifen erzwingen müssen«, sagte er und blickte die beiden an, seine Augen zusammengekniffen. »Also vermute ich, dass ich meinen Freund verraten werde.«
    »Ich grüße das Lager«, erklang der Ruf einer fernen Stimme. Vlad Li Tam sah

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