Psalms of Isaak 01. Sündenfall
Ziel zu erreichen. Sethbert hingegen zeichnete sich eher durch die Gemeinheit eines Grobians aus, der daran gewöhnt war, seinen Kopf hauptsächlich um des Vergnügens willen durchzusetzen, das er dabei empfand, als zu irgendeinem anderen Zweck.
Rudolfo war, wie sie schon vorher beobachtet hatte, eher wie ihr Vater. Vorbereitet und bedacht, mit einem Hang zu distanzierter Gewandtheit.
Selbst an den Männern, die er für ihre Eskorte ausgewählt hatte, zeigte sich dies: Sie folgten ihr, oft nur einer oder zwei, und sie blieben weit genug zurück, um nicht in ihre Privatsphäre einzudringen.
Als sie durch das Tor ging, wurde ihr Blick von einer Bewegung auf dem Hügel vor der Stadt angezogen. Eine einsame Gestalt marschierte über die Kuppe dieser gerodeten Fläche und sie wusste, dass es Isaak war, der den verfügbaren Platz mit Schritten abmaß. Das Gebäude würde gewaltig werden, und einen Augenblick lang blieb sie stehen und ließ den Anblick auf sich wirken. Wie würde sich dieses schlafende Städtchen unter dem Schatten dieser Unternehmung verändern? Gewiss hatte Rudolfo darüber nachgedacht. Sie war noch nicht lange genug in den Neun Wäldern, um zu wissen, was es bedeuten könnte, wenn die Bibliothek ihre Türen öffnete und, so weit von den Dreh- und Angelpunkten der Wirtschaft und Staatskunst entfernt, zu einem neuen Mittelpunkt der Benannten Lande wurde.
Natürlich war das auch die erste Vision der Androfranziner gewesen. Und obwohl Windwir mit Abstand die mächtigste Stadt der Welt gewesen war, war sie niemals die größte gewesen. Die Kinder des P’Andro Whym hatten sie mithilfe ihrer Grauen Garde in einer Größe belassen, mit der sie fertigwurden, hatten die Universitäten abgewiesen, die sich in der Nähe dieses riesigen Wissensspeichers ansiedeln wollten. Stattdessen hatten sie kleinen Gruppen von Studenten gestattet, abwechselnd für ein Jahr auf Besuch zu kommen, vor allem den Nachkommen von Adligen. Und gelehrte Androfranziner reisten hinaus an die Schulen und gaben das Wissen weiter, das der Orden für angemessen hielt.
Sie konnte nicht anders, als sich zu fragen, wie diese neue Bibliothek funktionieren würde. Das Rückgrat des Ordens war gebrochen, und er würde sich nicht in naher Zukunft wieder erheben. Zweitausend Jahre des bedachten Wachstums hatten zu der Abschottung geführt, die inzwischen vorherrschte. Aber nun, da vielleicht nur noch tausend Androfranziner auf der Welt übrig waren – ein Prozent oder weniger ihrer früheren Anzahl -, wusste sie nicht, wie der Orden in absehbarer Zeit wieder zu seiner Stärke zurückfinden sollte.
Sie ging weiter und blickte über die Schulter zurück, um sicherzugehen, dass die Späher ihr folgten.
Die Stadt erwachte zum Leben, ein paar Frauen waren unterwegs zur Backstube, und einige Jäger versammelten sich vor der geschlossenen Schenke und warteten auf den Besitzer, damit er die Türen öffnete und ihnen zu essen gab, ehe sie sich daran machten, Wild zu erlegen.
Ein Tischler arbeitete unter einem Unterstand aus Segeltuch, wo er mit langen, langsamen Zügen ein Stück Holz hobelte.
Jin ging durch die Straßen, bis sie einen kleinen Bach erreichte, der durch das Zentrum der Stadt floss. Sie folgte dem Fluss nach Norden, bis dieser Teil der Stadt verstreuten Häusern und Hütten Platz machte. Die Frau des Verwalters, Ilyna, hatte ihr gesagt, wohin sie sich wenden musste. Auch wenn man nirgendwo Schilder sah, gab es in den meisten Städten mindestens einen Apotheker.
Sie hatte einen Vogel zu ihrer ältesten Schwester – die inzwischen die Frau eines Kriegspriesters aus den Freistädten war und die beste Apothekerin, die das Haus Li Tam je hervorgebracht hatte – an die äußeren Gestade der Smaragdküsten geschickt. Als junger Mann verkleidet hatte Rae Li Tam an der Franzinerschule gelernt und diese alten Mönche drei Jahre lang zum Narren gehalten. Sie war um einiges älter als Jin und hatte ihr Leben damit zugebracht, Tränke und Pulver für die Arbeit ihres Vaters herzustellen, und ihre Arzneien, ihre Magifizienten und ihre Gifte waren legendär.
Sie hatte sofort auf Jins Nachricht geantwortet, und das verschlüsselte Rezept hatte bereits auf sie gewartet, als sie mit Isaak und ihrem Halbtrupp am gestrigen Abend in der Siebten Waldresidenz angelangt war. Spätnachts hatte Jin das Rezept in eine herkömmliche Schrift übertragen, hatte bei Kerzenlicht gearbeitet und dabei gespürt, wie sich in ihrem Magen Klumpen bildeten.
Rauch stieg
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