Psalms of Isaak 01. Sündenfall
aus der kleinen, wackeligen Hütte auf, und eine ältere, rundliche Frau hockte am Fluss, ihren Kopf zum Wasser hinabgebeugt. »Jawohl«, sagte sie ohne aufzublicken. »Wahrhaft dunkle Zeiten.« Als würde sie gerade eine Unterhaltung beenden, hob sie ihren Kopf, und ihr Blick traf den von Jin Li Tam. Sie wurde rot. »Edle Dame Tam, was für eine unerwartete Gunst.« Sie verbeugte sich.
Jin erwiderte die Verbeugung, neigte den Kopf und lächelte. »Ich brauche Eure Dienste, Flussfrau.«
Die Flussfrau lächelte zurück. »Magifizienten für die neue Dame des Königs? Oder sollen es Pulver anderer Art sein? Was immer meine Dame braucht, ich bin sicher, wir werden es in meinen Vorräten finden.«
Die Zigeunerspäher blieben am Rand der Lichtung zurück und warteten. Jin Li Tam biss sich auf die Lippen. Es blieb immer noch Zeit, Meinungen konnten sich ändern. Aber die Strategie ihres Vaters schien sonnenklar. »Ich bezweifle, dass Ihr dieses besondere Pulver schon kennt«, sagte sie leise.
»Das halte ich für äußerst unwahrscheinlich«, antwortete die Flussfrau. »Aber lasst uns bei einer Tasse Tee darüber reden.«
Sie führte Jin in die kleine Hütte und setzte Wasser auf. Das Heim der Flussfrau war vollgestopft mit Katzen und Büchern, haufenweise Gläsern mit Kräutern und Pulvern, getrockneten Pilzen und Beeren, zerstoßenen Blättern und Wurzelstücken. Das Haus roch süß und bitter zugleich.
Sobald der Tee eingegossen war, zog Jin Li Tam das Rezept aus ihrer Gürteltasche und nahm drei Münzen des Hauses Li Tam in die Hand. Sie reichte das Rezept über den Tisch und die Flussfrau begutachtete es, wobei ihre Augen abwechselnd groß und klein wurden. Als sie fertig war, schob sie es in die Mitte des Tisches zurück. »Ihr habt recht. Ich habe so etwas noch nie gesehen. Wie seid Ihr darangekommen?«
Jin Li Tam zuckte mit den Schultern. »Die Androfranziner hüten ihr Licht.« Sie wartete ab, dann zwang sie sich dazu, ihre Frage zu stellen. »Habt Ihr die Zutaten, um es herzustellen?«
Die Flussfrau nickte. »Habe ich. Oder ich kann sie zumindest besorgen. Nach einigen muss ich vielleicht schicken. Caldusbucht könnte haben, was mir fehlt.«
Jin Li Tam holte die drei Münzen hervor und legte sie auf das Rezept. »Ich bin in dieser Angelegenheit auf Eure äußerste Verschwiegenheit angewiesen.«
»Die sollt Ihr haben. Der Körper einer Frau ist ein Tempel des Lebens, und sie muss das Tor öffnen und schließen können, wie es ihr gefällt.« Die Flussfrau warf noch einen Blick auf das Rezept und schnalzte dabei mit der Zunge. »Und Ihr glaubt, das wird funktionieren?«
Sie lächelte. »Das werden wir bald genug herausfinden.«
»Ein Erbe, endlich«, sagte sie. Die alte Frau lachte leise. »Wisst Ihr«, erzählte sie, »ich habe geholfen, die beiden Jungen von König Jakob zur Welt zu bringen.«
Jin Li Tam beugte sich vor. »Die beiden?« Wieder dieses Zimmer mit seinen kleinen Stiefeln und dem kleinen Schwert, das an der Wand hing.
»Den edlen Isaak und den edlen Rudolfo«, sagte die Flussfrau. »Beides starke, schöne Jungen.« Sie musste bemerkt haben, wie die Erkenntnis auf Jin Li Tams Gesicht heraufdämmerte. »Hat niemand den edlen Isaak Euch gegenüber erwähnt?«
Jin Li Tam schüttelte den Kopf. »Ich wusste nicht, dass Rudolfo einen Bruder hatte.«
»Einen Zwillingsbruder«, sagte sie. »Nur wenige Minuten älter. Er ist recht … unerwartet … verstorben, als er fünf war.«
Jin Li Tam hatte eine Ahnung, die sie nicht näher benennen konnte. Sie zerrte an ihr und sie spürte, wie die Klumpen in ihrem Magen fester wurden. »Wie?«
Die Flussfrau blickte sich um, als ob sie sichergehen wollte, dass sich niemand in Hörweite befand. Ihre Stimme senkte sich beinahe zu einem Flüstern. »Sie sagen, dass ihn die roten Pocken geholt haben. Sie haben ihn sofort eingeäschert.«
Das war nicht unüblich, auch wenn es unnötig war. Mittlerweile gab es seit tausend Jahren ein Pulver gegen die roten Pocken. Trotzdem sprachen einige Kinder nicht auf das Pulver an, und natürlich war es nicht für alle Kinder verfügbar. Nur für die privilegierten. Aber in der Stimme der Flussfrau schwangen Zweifel mit. »Ihr glaubt nicht, dass es die roten Pocken waren?«
»Nein. Ich habe sowohl ihm als auch Rudolfo das Pulver verabreicht. Ich halte es nicht für wahrscheinlich, dass es beim einen anschlägt und beim anderen nicht.« Sie hielt inne und blickte sich wieder um. »Ich denke, er ist vergiftet worden.
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