Psychologische Homöopathie
herumlief, das ich gerade umgrub. Er redete intelligent, aber sehr laut und zeigte sich dabei sowohl begeistert als auch entschlossen, sich Gehör zu verschaffen. Er war der Sohn eines meiner Freunde, und ich hatte schon länger vermutet, daß er Medorrhinum sein könnte. Nachdem mir einige Tage lang unter dem Angriff seiner Stimmbänder fast die Ohren abgefallen waren, erbot ich mich, ihn homöopathisch zu behandeln, und seine Eltern bestätigten bald meine Vermutung. Wenige Tage nachdem er Medorrhinum 10M genommen hatte, tauchte er wieder in dem Gemüsebeet auf, aber seine Stimme war nicht mehr so durchdringend, und obwohl er immer noch wild und ausgelassen war, kriegte er keinen Koller mehr, wenn er seinen Willen nicht bekam. (Solche wundersamen Veränderungen im Charakter eines Kindes sind im Rahmen einer homöopathischen Behandlung keineswegs selten, aber sie sind oft nur vorübergehend, und man muß die Hochpotenzen von Zeit zu Zeit wiederholen, damit die Veränderung Bestand hat.)
Medorrhinum hat in gewisser Weise den Ruf, grausam zu sein, aber nach meiner Erfahrung gilt das nur für die kleineren Medorrhinum-Kinder. Sehr oft bestätigen Medorrhinum-Patienten, daß sie als Kinder gerne Insekten gequält haben oder sie unter einer Lupe von den Sonnenstrahlen haben braten lassen. Einige quälen auch Hunde oder Katzen, indem sie sie in die Badewanne werfen oder am Schwanz herumwirbeln. Im allgemeinen erstreckt sich diese Grausamkeit nicht auf Menschen, ausgenommen vielleicht, wenn das Medorrhinum-Kleinkind seinen Spielgefährten boxt, um ihm ein Spielzeug wegzunehmen. Solche Züge von Grausamkeit verlieren sich jedoch meist, bevor das Kind in die Pubertät kommt. Warum diese Kinder so mit Tieren umgehen, ist nicht klar, vor allem, wenn man die Sensibilität des älteren Medorrhinum berücksichtigt. Wahrscheinlich ist es für den jungen Medorrhinum eine Möglichkeit, seine Muskeln spielen zu lassen, um ein Gefühl der Macht zu erlangen. Wenn er die Pubertät erreicht, hat er meist genügend Selbstvertrauen, um auf solche Methoden verzichten zu können.
Sexualität ist ein Bereich, in dem die meisten Medorrhinum-Kinder besonders frühreif sind. Die Arznei wird aus einem Bakterium hergestellt, dassexuell übertragen wird, und das spiegelt sich im Leben der meisten Medorrhinum-Menschen dadurch wider, daß die Sexualität eine vorherrschende Rolle spielt. Freud entdeckte, daß Kinder gewöhnlich ein starkes sexuelles Interesse haben, besonders im Alter zwischen drei und fünf Jahren. Es tritt während der »latenten Periode« (im Alter von sechs bis zehn Jahren) in den Hintergrund und kommt mit der Pubertät wieder an die Oberfläche. Diese »prälatente« Libido ist bei Medorrhinum-Kindern besonders stark. Es ist nicht ungewöhnlich, daß Medorrhinum-Babys heftig masturbieren, und Medorrhinum-Kleinkinder sind im allgemeinen von ihren eigenen Geschlechtsteilen und denen anderer Kinder fasziniert. Sie neigen mehr als andere Kinder zu »Doktorspielen«, die jedoch harmlos sind, solange die Eltern sie dulden und keine Schuldgefühle bei den Kindern erzeugen.
Kleine Medorrhinum-Mädchen sind auf eine Weise frühreif, die ich für absolut typspezifisch halte. Nach meiner Erfahrung haben viele Medorrhinum-Mädchen sogar im Alter von drei oder vier Jahren einen außerordentlich lebhaften und sinnlichen Charme. Diese sehr jungen Mädchen flirten mit Männern, die sie mögen, auf eine Weise, die weder schüchtern und verschämt ist wie bei Pulsatilla noch aufdringlich wie bei Platina, sondern eher von natürlichem Selbstvertrauen zeugt, ähnlich wie bei einer reifen Frau, die den Austausch genießt, ohne den anderen zu bedrängen oder unaufrichtig zu sein. Die meisten Medorrhinum-Menschen haben das Glück, sich ihr natürliches, kindliches Vergnügen an der eigenen Sinnlichkeit zu bewahren, lange nachdem die meisten anderen Typen ihre Spontaneität schon verloren haben. Dieses natürliche Vergnügen daran, einfach man selbst zu sein, erinnert an Phosphor, aber während letzterer oft seine Identität in einer Welle von Emotionen oder Ekstasen verliert, ist Medorrhinum stärker im Körper verankert und bleibt auch mitten im Genuß »präsent«. In diesem Sinne wirkt Medorrhinum reifer als Phosphor.
In der Pubertät entwickelt der Medorrhinum-Jugendliche einen sehr starken Sexualtrieb, der gewöhnlich schon in jungen Jahren zu romantischen, sexuellen Erfahrungen führt. Der Medorrhinum-Teenager erlebt Liebe und Lust mit
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