Psychologische Homöopathie
von zwei Knastbrüdern, die gerade aus dem Gefängnis entlassen worden sind und nun im Haus ihres alten Kumpels Herbert auftauchen. In typischer Sulfur-Manier freut sich Herb, seine zwielichtigen Freunde wiederzusehen, und gewährt ihnen jede Gastfreundschaft, worüber Edwina sehr besorgt ist, denn sie weiß, daß sie einen schlechten Einfluß auf Herb haben, und sie weiß auch, wie leicht er zu beeinflussen ist. Herb versucht sauber zu bleiben, weil er nun ein Familienvater ist, aber je länger er mit seinen alten Kumpels zusammen trinkt, desto attraktiver erscheint ihm sein altes Leben, und als sie ihn auffordern, bei einem Banküberfall mitzumachen, kann er nicht widerstehen (weil er gerade seinen Job verloren hat, nachdem er seinem Chef, der eine Runde Frauentausch vorgeschlagen hatte, einen Kinnhaken versetzt hat). Bevor er in der Nacht aufbricht, schreibt Herb in Tränen aufgelöst einen Abschiedsbrief an seine Frau, in dem er ihr mitteilt, er werde nie der Mann sein, den sie verdiene. Er ist ein ausgezeichnetes Beispiel für den Sulfur-Gauner, der ein warmes Herz hat, aber verantwortungslos wie ein Kind ist und die Konsequenzen seines verrückten Handelns nicht übersieht.
Sulfur-Menschen sind oft seltsam blockiert, wenn es darum geht, aus der Vergangenheit zu lernen, und sie gehen immer von neuem den Weg des geringsten Widerstands. Mit zunehmendem Alter werden sie schließlich vielleicht verantwortungsbewußter, trinken weniger, reduzieren oder beenden ihre Seitensprünge und arbeiten regelmäßig. Diese gereiften Sulfur-Gauner sind mit ihrem Schicksal oft sehr zufrieden, besonders wenn sie eine gute Frau und ausreichend Beschäftigung haben.
Kopf in den Wolken
Verantwortungslosigkeit findet man bei allen opportunistischen Typen einschließlich Lycopodium, Phosphor und Mercurius, aber bei keinem anderen Typ ist sie so verbreitet wie bei Sulfur. Sulfur ist so strahlend, warm und inspiriert, daß er einen Pferdefuß haben muß, und sein größter Pferdefuß besteht darin, daß er häufig ein unpraktischer Träumer ist, der seinen Inspirationen folgt und die materiellen und emotionalen Realitäten des Lebens vernachlässigt. Ein verbreitetes Beispiel ist der Sulfur-Familienvater, der denGeburtstag seiner Frau vergißt, weil er zu sehr mit seiner Lieblingstätigkeit beschäftigt ist, sei es nun seine Arbeit oder irgend etwas anderes. Er verspricht seinen Kindern regelmäßig, mit ihnen zum Angeln oder zum Fußball zu gehen, vergißt es aber genauso regelmäßig und plant statt dessen etwas anderes. Jedesmal tut es ihm ehrlich leid, und er meint es wirklich, wenn er verspricht, daß er nächstes Mal daran denken wird, aber allmählich lernt seine Familie, nicht mehr auf seine Versprechungen zu achten, und erkennt, daß er in vieler Hinsicht einfach ein Kind ist, auf das man sich nicht verlassen kann. Wie ein Kind tut Sulfur, was er will und wann er es will, und es fällt ihm schwer, erwachsen zu werden und Verantwortung zu übernehmen.
Als ich ein Teenager war, war mein bester Freund ein Sulfur-Rebell, der sich leidenschaftlich für den Kommunismus engagierte und glaubte, er enthalte das Versprechen, die Menschheit zu vereinen und Armut und Unrecht zu überwinden. In typischer Sulfur-Manier wußte er alles, was es über den Kommunismus und dessen Erzfeind, den Kapitalismus, zu wissen gab, und er konnte stundenlang über die Geschichte der russischen und der Französischen Revolution reden und ein Detail nach dem anderen über das unmoralische Verhalten früherer und gegenwärtiger Regierungen zitieren. Er war ein Idealist, der wie viele Sulfurs ein Sendungsbewußtsein hatte, und insofern war es aufregend, mit ihm zusammenzusein. Seine Eltern und meine eigenen Eltern waren von ihm etwas weniger begeistert als ich, denn er hatte nicht die geringsten Manieren, war unglaublich faul (Kent: »Indolenz«) und ziemlich unwillig, sich mit den Unterrichtsfächern zu beschäftigen, die ihn nicht interessierten. Schließlich ging er an eine radikale Universität, studierte politische Wissenschaften, flog aber dort raus, weil er überhaupt nicht arbeitete und die meiste Zeit damit verbrachte, politische Protestveranstaltungen zu organisieren. Aber schließlich änderte er sich doch noch und absolvierte mit Fleiß und Begeisterung eine Ausbildung zum Lehrer. Sulfurs sind großartige Lehrer, weil es ihnen wichtiger ist, das Wunderbare ihres jeweiligen Themas zu vermitteln, als bloße Fakten darzustellen.
Die
Weitere Kostenlose Bücher