Psychologische Homöopathie
intellektuelleren Sulfurs neigen besonders dazu, praktische Details zu vernachlässigen. Das Stereotyp des zerstreuten Professors hat den Sulfur-Intellektuellen zum Vorbild, der auf seinem Fachgebiet brillant ist, sich aber nicht erinnern kann, wo er seine Autoschlüssel gelassen hat. Sein Vernachlässigen der praktischen und materiellen Aspekte des Lebens (Kent: »Gleichgültigkeit gegenüber äußeren Dingen«) kann manchmal zu der charakteristischen schmuddeligen Erscheinung des Sulfur-Intellektuellen führen, des »Philosophen in Lumpen«, Heutzutage kommt es jedoch selten vor, daß Sulfurso exzentrisch ist, Lumpen zu tragen. Meist ist er ordentlich gekleidet, aber irgendein Aspekt seiner Erscheinung fällt aus dem Rahmen oder ist vernachlässigt. Beispielsweise kann sein Hemd zerknittert und ungebügelt sein, oder seine Krawatte hängt schief, oder seine Frisur ist wild und dramatisch wie die von Einstein, der sich allen Berichten zufolge in jeder Frage seiner materiellen Existenz voll auf seine Frau verließ, angefangen von den Rechnungen, die bezahlt werden mußten, bis zu dem Punkt, an dem sie ihn zwingen mußte, regelmäßig zu essen.
Sulfur ist berühmt für seine Unsauberkeit, und dafür gibt es gute Gründe. Er achtet oft wenig auf materielle Dinge, und dazu gehört der Zustand seines Hauses genauso wie der Zustand seines Körpers und seines Bankkontos. Auf der anderen Seite erspart er sich damit die vielen kleinen Sorgen anderer Leute, die ein makellos sauberes Haus haben müssen oder ständig ihre Pfennige zählen. Relativ unbehelligt von materiellen Sorgen kann er sich nicht nur tief in seine intellektuellen Forschungen versenken, sondern auch den Sonnenuntergang, eine gute Mahlzeit oder anregende Gesellschaft genießen. Sulfurs distanzierte Haltung zu den materiellen Lebensbedingungen ist ein zweischneidiges Schwert, das ihm genausoviel Freiheit gewährt, wie es ihm Probleme einträgt (wenn beispielsweise der Strom abgestellt wird, weil er die Rechnung nicht bezahlt hat, oder wenn sein Auto einen Motorschaden bekommt, weil er nicht daran gedacht hat, Motoröl nachzufüllen). Die Sulfurs, die eine praktisch veranlagte Ehefrau finden, haben meist das Beste aus beiden Welten: die Freiheit, sie selbst zu sein, und den Luxus, daß jemand ihre Welt in Ordnung hält, während sie spielen. Was für die Frau dabei herauskommt, ist unterschiedlich. Schlimmstenfalls ist sie eine vernachlässigte Sklavin, deren Dienste als selbstverständlich angenommen werden, und bestenfalls hat sie einen liebevollen und aufmerksamen Partner, der ihr Leben mit seiner Begeisterung und seinem Humor aufhellt und für den sie ganz gerne die praktischen Dinge des Alltags regelt.
Wie schon gesagt, gibt es bei Sulfur ein Kontinuum vom bodenständigsten und materiellsten bis zum ätherischsten und idealistischsten. Letzterer neigt mehr dazu, den Kontakt mit der Realität zu verlieren und sich ganz in seine Träume zu versenken. Der schon erwähnte Sulfur-Koch ist ein gutes Beispiel dafür. Er war in der Küche so damit beschäftigt, über philosophische Fragen zu reden, daß ihn das seinen Job kostete. Der Grat ist schmal zwischen einem rationalen und praktikablen Idealismus und einem törichten Idealismus, und oft sind Sulfur-Idealisten ihrer Zeit einfach voraus, aber wenn man den gegenwärtigen Zeitgeist nicht einschätzen kann, kann man auch nicht mit denMenschen kommunizieren und redet dann oft in den Wind. Viele Sulfurs sind so weltfremd, daß sie sich lächerlich machen.
Die sanften, naiven Charaktere, die der Schauspieler James Stewart oft dargestellt hat, sind häufig solche Typen. Sie leben in einer Welt, in der die Leute nur nach edelsten Motiven handeln, und stets vergeben sie denen, die sich selbstsüchtig und grausam verhalten, und entschuldigen sie damit, daß sie es nicht besser wissen. Die meisten Sulfurs sind »Softies« in dem Sinne, daß sie die Bedürftigen unterstützen und Schulden erlassen, bis sie schließlich in vielen Fällen ausgenutzt werden, aber einige sind so idealistisch und so gleichgültig gegenüber materiellen Dingen, daß sie sich selbst die schlimmsten Feinde sind. Obwohl solche Sulfur-Menschen vielleicht glauben, daß sie von einer höheren, mehr spirituellen Warte aus handeln, vermeiden sie in Wirklichkeit oft eine Konfrontation und verstecken sich in einer Phantasiewelt, in der alles eitel Harmonie ist und keine harten Entscheidungen getroffen werden müssen.
Der Unterschied zwischen echter
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