Psychologische Homöopathie
war er nicht nur deprimiert und zurückgezogen (Kent: »geistige Erschöpfung, Hoffnungslosigkeit, Verzweiflung«), sondern auch verbittert über das, was ihm als Dummheit und Blindheit der von ihm angesprochenen Bürgervertretungen erschienen war (Kent: »Beschwerden nach langdauerndem Kummer und nach Sorgen«). Causticum sollte in Kents Repertorium fettgedruckt unter der Rubrik »Empörung« ergänzt werden.
Versagen bei der Realisierung seiner Träume ist nicht die einzige Belastung, die Causticum zur Verzweiflung bringt. Viele Causticum-Menschen pflegen neben ihrem sozialen Engagement auch ein reiches Privatleben, und der Verlust eines geliebten Menschen kann für sie verheerend sein. Causticum ist eins von nur fünf Arzneimitteln, die in Kents Repertorium fettgedruckt unter der Rubrik »Gram« stehen. Man darf dabei nicht vergessen, daß Causticum meist sehr warmherzig und romantisch ist und gewöhnlich mit leidenschaftlicher Liebe an seinen Angehörigen hängt. Deshalb ist sein Gram so tief, wenn er sie verliert. Dieser tiefe Gram ist auch ein Beleg dafür, daß der Causticum-Charakter tiefgründiger ist als Phosphor, der sich nach einem zunächst geradezu hysterischen Schmerz meist bald wieder erholt, und auch empfindsamer als Sulfur, der ebenfalls einen schmerzlichen Verlust rascher überwindet als Causticum. Causticum grämt sich bis zur Agonie, weil das Bild des Menschen, den er verloren hat, und die Erinnerung an ihn ihm nicht aus dem Sinn geht, und sein empfindsames Herz weint mit jeder Erinnerung von neuem. Diejenigen, die eine Aufgabe haben, in die sie sich vertiefen können, erholen sich schneller als die anderen, die sich oft noch jahrelang nach dem Verstorbenen sehnen.
Besessenheit, Introversion und Ängstlichkeit
Nicht alle Causticum-Typen sind extrovertiert und leidenschaftlich. Die meisten sind idealistisch, aber manche drücken ihren Idealismus auch eher still aus, indem sie schreiben. Sie sind dann ziemlich schüchtern und leben von der Gesellschaft zurückgezogen. Tatsächlich ist der introvertierte Causticum genauso verbreitet wie der extrovertierte, und wie bei Lachesis liegen manche auch dazwischen.
Der introvertierte Causticum ist für Ängste viel anfälliger als sein extrovertierter Vetter. Causticum-Frauen sind eher introvertiert und ängstlich (aber auch gut die Hälfte der Männer sind so). Es ist wichtig, sich daran zu erinnern, daß Causticum ein Kaliumsalz ist, und so ist es nicht überraschend, daß die meisten der introvertierten Causticum-Menschen manche Ähnlichkeiten mit den anderen Kalium-Typen haben. Zu diesen gemeinsamen Zügen gehört die Besessenheit. Je introvertierter Causticum ist, desto mehr neigt er zur Besessenheit. Sie kann sich wie bei Arsenicum und Natrium in einem besonders anspruchsvollen Wesen äußern. Einige Causticum-Typen sind extrem ordentlich und werden die Bilder im Haus eines Fremden gerade hängen. Andere sind perfektionistisch bei der Arbeit.
Die Kaliumsalze haben alle eine gewisse geistige Starrheit. Beim mehr extrovertierten Causticum kann sich das darin äußern, daß er mit großer Verbissenheit allerleijuristische Auseinandersetzungen verfolgt. Der mehr introvertierte Causticum kann dagegen Probleme mit immer wiederkehrenden negativen Gedanken haben. Genauso wie Lachesis ängstlich wird, wenn er kein Ventil für seine starke sexuelle Energie hat, so scheint Causticum ängstlich zu werden, wenn er kein äußeres Ziel für seine geistige Energie hat. Das drückt sich unter anderem in fixen Ideen und Zwangsvorstellungen aus. Nach anhaltendem Streß beginnt Causticum vielleicht, zwanghaft zu kontrollieren, ob die Türen abgeschlossen sind. Möglicherweise leidet er auch unter Sauberkeits- und Waschzwängen, ein Krankheitsbild, das man häufiger bei Syphilinum findet.
Ich habe einmal einen netten alten Mann behandelt (die pathologischen Geistessymptome von Causticum treten meist im höheren Lebensalter auf), der über einen Schreibkrampf klagte. Er berichtete mir, er habe früher einen Nervenzusammenbruch gehabt, was mich überraschte, weil er sowohl offen als auch emotional ziemlich gesund wirkte. Sein Nervenzusammenbruch hatte sich darin ausgedrückt, daß er sich zwanghaft immer wieder mit unangenehmen Ereignissen aus der Vergangenheit beschäftigen mußte. Selbst Jahre danach fiel es ihm immer noch schwer, bestimmte Erlebnisse loszulassen. Diese Angewohnheit, die man häufiger bei Natrium muriaticum findet, in Kombination mit einer relativ
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