Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht
vorstelle, dass du so etwas ganz allein durchstehen musst. Du bist mein Sohn, und niemand soll zu dir sagen, dass du dumm bist. Das erlaube ich nicht!
MOHAMMED: Kann ich jetzt gehen? Ich bin mit Matthias verabredet.
VATER: Ja, natürlich. Danke für deine Hilfe! Ich hoffe, du findest eine Möglichkeit, damit klarzukommen. Sag Bescheid, wenn du unsere Hilfe brauchst.
Im Verlauf dieses Dialogs sind beide Seiten klüger geworden. Die Eltern haben etwas Wichtiges über das Leben ihres Sohnes und seine Reaktion darauf gelernt, und Mohammed hat einmal mehr erfahren, dass er auf seine Eltern zählen kann - auch wenn sie kaum etwas tun können. Hätten seine Eltern beispielsweise gesagt: »Manchmal hörst du wirklich nicht zu, Mohammed - auch wenn wir etwas sagen. Vielleicht hat deine Lehrerin recht. Vielleicht musst du dir einfach mehr Mühe geben. Du
weißt doch, wie wichtig eine gute Ausbildung ist«, dann wäre Mohammed nach dem Gespräch genauso einsam gewesen wie vorher. Und er hätte dies nur als weiteren Beweis dafür genommen, dass man mit Erwachsenen einfach nicht reden kann.
Nach dem Gespräch mit seinen Eltern ist Mohammed immer noch einsam im Verhältnis zu seiner Lehrerin, doch seine Einsamkeit wurde von seiner Familie verstanden und anerkannt, was beiden Seiten - Erwachsenen und Kindern! - stets neue Energie verleiht.
Sind Grenzen notwendig? Vom Umgang mit Regeln und Regelverstößen
Seit meiner Kindheit ist die Welt zweifellos ein gefährlicherer Ort geworden, und mit jedem neuen Phänomen, das uns beunruhigt, wächst das Bedürfnis, »Grenzen zu setzen«, wie wir fälschlich sagen. Eigentlich meinen wir »Regeln aufzustellen«.
Lassen Sie mich daher etwas darüber sagen, wozu Regeln gut sind und wozu nicht.
Jede Familie braucht ein paar Regeln, um die zwischenmenschlichen und sozialen Prozesse in der Familie zu fördern. Welche das sind, hängt ganz von der Lebenseinstellung, den Wertvorstellungen und Erfahrungen der Eltern ab. Natürlich könnte man etwa zehn allgemeingültige Regeln für das Zusammenleben in der Familie formulieren, doch wäre dies uninteressant, weil diese Regeln stets die individuellen Überzeugungen der Eltern widerspiegeln müssen.
Regeln, die vernünftig vermittelt werden - also weder mit erhobenem Zeigefinger noch mittels Überwachung und Strafe -, dienen sowohl der Gemeinschaft als auch den einzelnen Familienmitgliedern. Das gilt vor allem für die ersten zehn bis zwölf Lebensjahre eines Kindes. Der Umgangston und die Verhaltensweisen, die Eltern in dieser Zeit praktizieren, haben entscheidenden Einfluss darauf, wie die Kinder sich später gegenüber Regeln im Allgemeinen verhalten. War der Ton beispielsweise zu scharf und kommandierend, wird dies vermutlich »kriminelle« Jugendliche zur Folge haben. Damit meine ich nicht, dass sie automatisch zu Gesetzesbrechern werden und im Gefängnis landen, doch werden sie viel Energie darauf verwenden,
sich den Regeln der Eltern zu widersetzen und in diesem Kontext auch die Kunst erlernen, überzeugend zu lügen. Auf der anderen Seite kann ein gleichgültiges und nachlässiges Elternverhalten den Kindern das Gefühl vermitteln, sie seien den Eltern ebenfalls gleichgültig.
Eltern sind also zu einem schwierigen Drahtseilakt gezwungen, der ihnen nur gelingen kann, wenn sie einen offenen Dialog mit den Kindern aufrechterhalten. Die Balance muss dabei ständig nachjustiert werden, damit die Probleme und Konflikte, denen die Regeln eigentlich vorbeugen sollten, nicht überhandnehmen. Wenn die Eltern bis zur Pubertät nicht gelernt haben, dass »Erziehung« ein wechselseitiger Lernprozess ist, werden sie es spätestens dann lernen oder den Preis für die Monologe der Vergangenheit zahlen müssen. Für beides sind die Erwachsenen verantwortlich.
Regeln zu formulieren ist keine Kunst: höchstens zwei Stunden Internet am Tag, an Wochentagen um 21 Uhr, freitags und samstags um 22 Uhr zu Hause sein, selbst das Zimmer aufräumen, kein Alkohol bis zum 18. Lebensjahr usw. Jeder kann das tun. Die entscheidende Frage ist jedoch, wie Eltern reagieren, wenn diese Regeln nicht eingehalten werden. Doch lassen Sie uns mit dem Anfang anfangen.
Ein gleichwürdiger Dialog über Regeln in der Pubertät
Stellen wir uns vor, das Kind befindet sich auf dem Weg in die Pubertät, und die Eltern denken vielleicht an all die möglichen Gefahren, die ihm auf diesem Weg drohen, und was sie dagegen tun könnten oder sollten. Zu diesem Zeitpunkt ist es eine gute
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