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Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht

Titel: Pubertaet - wenn Erziehen nicht mehr geht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jesper Juul
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Glaubwürdigkeit der Eltern sichert.
    Lassen Sie uns nun einen alternativen Handlungsverlauf betrachten, der von Empathie, Vertrauen und Gleichwürdigkeit geprägt ist:
    Gabriella kommt angetrunken nach Hause. Ihre Mutter umarmt sie und hilft ihr ins Bett. Am nächsten Morgen beim Frühstück sieht ihr Vater sie liebevoll an und fragt: »Ist es sehr schlimm?« Gabriella nickt, wobei ihr die Kopfschmerzen und der moralische Kater deutlich anzumerken sind. Somit können die Eltern ganz beruhigt sein. Ihre Tochter hat zum ersten Mal erfahren, welche physischen und psychologischen Konsequenzen es hat, wenn man mehr Alkohol trinkt, als man vertragen kann, und sie schämt sich der Tatsache, dass sie damit eine Grenze überschritten hat. Ihr zukünftiges Verhalten wird davon abhängen, welche Schlüsse sie aus diesem Erlebnis zieht, worüber sich die Eltern mit ihr im Lauf der nächsten Woche unterhalten können. Sie brauchen sie weder zu belehren noch zu bestrafen, und wenn sie Gabriellas Gedanken aufmerksam zuhören,
wird ihr Vertrauen in Gabriellas Eigenverantwortlichkeit wachsen und ihre Sorge abnehmen. Die Jugendzeit besteht aus Tausenden von Experimenten, und Reife entwickelt sich nur dann, wenn die Jugendlichen den Raum und die Möglichkeit bekommen, auch ihr Scheitern mit ihrer Familie zu teilen. Je mehr sie isoliert, bestraft, belehrt und kritisiert werden, desto weniger lernen sie über sich selbst, ihre eigenen Stärken und Schwächen.
    Eine Handvoll Regeln mag also dazu beitragen, gewissen Problemen und Konflikten vorzubeugen und zugleich die Wertvorstellungen der Eltern zu verdeutlichen. Oft sehen wir, dass Regeln benutzt werden, um Konflikte und Probleme zu lösen, was fast nie gelingt. Das verschafft den Eltern allenfalls das Gefühl, »alles getan zu haben, was in unserer Macht stand«, und verdeckt ihre Hilflosigkeit. Viel konstruktiver ist es jedoch, dem Jugendlichen gegenüber die eigene Hilflosigkeit zu offenbaren, um nach gemeinsamen Lösungen für bestehende Konflikte zu suchen.

Pubertät - Konflikte zwischen Kultur und Natur
    In unserem Teil der Welt haben wir in den letzten 100 Jahren zunehmend die Phase im Leben der Kinder problematisiert, in der ihr Körper eine natürliche psycho-sexuelle Veränderung durchmacht. Im Lauf einer relativ kurzen Zeit werden aus Kindern fortpflanzungsfähige Jugendliche und Erwachsene. Mental nimmt ihre Entwicklung einen natürlichen Weg von Kindlichkeit und Abhängigkeit zu Selbstständigkeit und Autonomie: zwei Eigenschaften, die sich Eltern in der Regel für ihre Kinder wünschen und die in anderen Kulturen gefeiert werden, indem man den Jugendlichen mehr Verantwortung, einen höheren Status und eine neue Rolle in Familie und Gesellschaft zuweist.

Jugendliche und Sexualität
    Die natürliche Sexualität von Kindern und Jugendlichen ist traditionell sowohl in religiöser als auch in moralischer und sozialer Hinsicht problematisiert worden. In meiner Jugend herrschte allgemeines Schweigen. Fast kein Erwachsener sprach mit seinen Kindern über Sexualität. Wir wurden höchstens vor der Schwangerschaft gewarnt, doch niemand machte sich die Mühe, uns zu erklären, wie man schwanger wird bzw. es verhindert. Seitdem hat eine extreme Sexualisierung des öffentlichen Raums stattgefunden - mit allen Vor- und Nachteilen, die das nun mal mit sich bringt. Acht von zehn 14-Jährigen haben bereits mehrfach Pornofilme gesehen und sind mit vielfältigen sexuellen Praktiken vertraut, die noch vor einer Generation weder beschrieben noch filmisch dokumentiert worden waren. Die
Sexualität des Menschen ist vor allem ein Symbol seiner Individualität und Autonomie, was die erwachsenen »Machthaber« natürlich nervös macht und einmal mehr einen vergeblichen Kampf gegen die Zeit führen lässt.
    Zugleich hat sich eine spezifische Jugendkultur entwickelt, die weitgehend dem Wohlstand der Erwachsenen und der Konsumgesellschaft geschuldet ist. Das bedeutet jedoch nichts anderes, als das sie deutlicher - oder auch greller - zutage tritt als früher. Die markantesten Kennzeichen folgen demselben Muster einer natürlichen Entwicklung wie seit vielen Generationen. In zehn bis 15 Jahren werden sich die Jugendlichen von heute ganz genauso verhalten wie die 25- bis 35-Jährigen dies jetzt tun. Kinder und Jugendliche kooperieren, kopieren und passen sich an. Das ist ein beständiger Prozess, an dem niemand etwas ändern kann.
    In mentaler Hinsicht sind die Menschen heute freier als noch vor

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