Public Eye (Public Eye Trilogie)
versorgen, bei
jedem Wetter. Eisenbahnlinien ü berspannten
ganze Kontinente, um Steinkohle heranzukarren. Au ß enpolitik war haupts ä chlich Energiesicherungspolitik geworden. Wir gingen
mit jedem noch so brutalen Diktator ins Bett, wenn wir nur an den Stoff kamen,
aus dem unsere Zivilisation inzwischen geworden war.
Ab
2015 ä nderte sich die Situation allm ä hlich. Energie aus Wind und Sonne, jahrzehntelang bel ä chelt, erreichte die notwendige technische Reife.
Industrieunternehmen ü berall in der entwickelten Welt st ü rzten sich auf diese neuen Produkte und hatten bald
den Bogen raus, wie man das richtig sch ö n effizient gestalten kann. Die Chinesen warfen Photovoltaikplatten auf
den Markt wie fr ü her Computerbauteile oder Baumwollhemdchen. Die Amis
und die Deutschen bauten Windr ä der um
die Wette. Gleichzeitig fand man fast ü berall auf der Welt das sogenannte Shelf-Gas in ein paar Kilometern
Tiefe. Die Preise f ü r Energie gaben nach. Die Produktionsanlagen waren
aber noch nicht abbezahlt. Also verkaufte man die Getriebe f ü r Windr ä der immer billiger, dr ü ckte
den Selbstkostenpreis durch eine Effizienzsteigerung der Produktion immer
weiter nach unten. Und erh ö hte die
Produktion, damit ü berhaupt noch ein kleiner Profit heraussprang. Die
Chinesen gingen schlie ß lich dazu ü ber, ihre Photoplanken den Afrikanern einfach zu schenken. Sp ä ter haben sie den W ü stenstaaten noch Geld in die Hand gedr ü ckt, damit die ihnen die Produkte abgenommen haben.
Die Industriemaschine lief weltweit auf Hochtouren, und jedem war klar, dass es
zu einer Katastrophe kommen musste, wenn der Absatz von Anlagen zur Erzeugung
von Energie aus Sonne und Wind ins Stocken kommen sollte. Wir hatten eine
klassische Ü berproduktionskrise, aber in einem h ö chst modernen Ausma ß . Da die Afrikaner die Solarpanele geschenkt bekamen, konnten sie den
damit gewonnenen Strom auch fast verschenken und wurden trotzdem stinkreich
damit. Ganze Industriezweige zogen um an den Rand der Sahara, die ganze
chemische Industrie zuerst, dann die Aluminiumschmelzen und bald zogen alle
anderen hinterher. War aber unn ö tig
gewesen. Die Windr ä der produzierten bald genauso billigen Strom. Und das
Shelf-Gas bekam man hinterhergeschmissen. Damit die Investitionen in die
Entwicklung energiesparender Fahrzeuge und Produktionsprozesse nicht v ö llig umsonst gewesen sein sollten, gingen die
Regierungen dazu ü ber, die billige Energie k ü nstlich durch hohe Besteuerung zu verteuern. Die
Menschen gingen irgendwann w ü tend
auf die Stra ß e, als die Spritpreise zu ü ber 90 Prozent aus einem giftigen Mix verschiedener
Steuerarten bestanden. Keiner brauchte mehr das Ö l der Arabischen Staaten oder anderer L ä nder, die nichts zu bieten hatten au ß er pr ä historischen
Plankton- oder Pflanzenkadavern. Durch das Geld, das jahrzehntelang leicht und
reichlich in diese L ä nder gesp ü lt worden war, konnten sich dort sehr gro ß e Bev ö lkerungen
bilden. F ü r die gab es ganz pl ö tzlich keine Existenzgrundlage mehr. Und all die
Immobilien, die Aktienpakete, die Firmenbeteiligungen, all das Geld auf Konten
in Steuerparadiesen, das in guten Zeiten von umsichtigen Ö lscheichs zur ü ckgelegt worden ist? Die Industriel ä nder haben da sehr sachlich reagiert und die Anspr ü che einfach nicht l ä nger anerkannt. Ganz einfach so.
Die
Welt war im Umbruch, wieder einmal. Anfang der 2020er Jahre gab es Energie im Ü berfluss und die Preise daf ü r waren im Keller. Aber Aufwand musste man immer noch
treiben, um Energie zu gewinnen, aufzubereiten und an die Stelle zu bringen, wo
sie gebraucht wurde. Energie brauchte Energie. In all den Bergwerken waren
starke Elektromotoren am Werk, der Stahl f ü r die Windm ü hlenfl ü gel musste
zun ä chst mit einem irrsinnigen Energieaufwand gewonnen
werden, ganz zu schweigen von der Kraft, die es brauchte, kilometerlange Z ü ge mit Waggons voller Rohstoffe zu bewegen. Die
Weltwirtschaft drehte so hoch wie noch nie zuvor in der Geschichte, aber sie
drehte sich in einer altbekannten Choreografie. Dann kam die Neue Kraft.
Der
Februarnachmittag begann schon zu d ä mmern. Immer noch war nichts zu sehen von den Geb ä uden, auf die ich zuging. Mein Schritt wurde schwerer,
die Stra ß e zog sich endlos. Wo sollte ich die Nacht verbringen?
Wie sollte ich hier je wieder wegkommen? Ach ja, und wohin sollte ich ü berhaupt wollen?
Ich
hatte diese Gewebeprobe bei mir. Die kann
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