Public Eye (Public Eye Trilogie)

Sitz
des Mobidevs und steigt mit einer Anmut aus, die in unglaublichem Kontrast zur
Szenerie auf der GM steht. Sie l ä sst sich vom Humancontroller der Robocops festnehmen und es wirkte, als
ob sie ihm eine Gunst erwiese, die er gar nicht verdient hat. Ein unerh ö rt starker Abgang. Ich schaue mir das noch dreimal an.
Vermutlich mit offenem Mund.
     
     
     
    10.
     
    Mein
Lebensretter vom Bullet-Train wird nicht mehr ewig fest verschn ü rt und ungefunden in der Wartungskabine bleiben. Ich
sollte nicht in seinem Auto gefunden werden. Ich sollte mich auf den Weg
machen. Weg von hier. Raus aus dem Oldie. Die Landstra ß e lag einsam und verlassen in der Mittagssonne. In
welche Richtung? Nicht zur ü ck zur
GM. Also dem Traktor aus Doncaster hinterher. Wohin das auch sei. Im Public Eye
gab es nach wie vor weit und breit keinen Livestream. Ich ging also auf der 
kerzengeraden Landstra ß e in Richtung der Geb ä ude, die ich auf dem Satview ausmachen konnte. Die
Landschaft war noch grau vom Winter, der Asphalt dunkel und br ü chig. Rechts und links Felder, mit verschlammten
Ackerfurchen. Felder. Ackerfurchen? Wer tut das noch? Mit der Neuen Kraft war
Landwirtschaft ü berfl ü ssig
geworden. Nahrung wurde aus Transformationsmaterie gewonnen. Schnell, preiswert
und unbegrenzt. Alles, was die Menschheit in ihrer Geschichte je gegessen hat,
war nichts als eine bestimmte Anordnung von Atomen gewesen. Atome fanden sich
zu Molek ü len, die bildeten Ketten und hie ß en Aminos ä uren. Der Vorgang geschah in Rindern und Schweinen, denen man Weizen
und Sojabohnen zu fressen gegeben hatte. Am Ende lagen Steaks auf dem Teller,
die Menschen nahmen die Aminos ä uren
auf, bauten sie ab und schufen neue Eiwei ß ketten daraus. Die wurden dann zu Arschbacken, Fingern oder Ohren. Das
Problem war, dass man bei diesem Vorgang unendlich viel Energie  einfach
verpulverte. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln war nie effizient gewesen. Bis
die Neue Kraft zur Verf ü gung stand. Damit stand praktisch unbegrenzt viel Energie
bereit, mit der sich Molek ü le nach
Belieben umgestalten lie ß en. Alles konnte schnell und sauber in alles andere
umgeformt werden. Die Erzeugung von Nahrungsmitteln war zu einer mathematischen
Gleichung geworden. Und das galt  auch f ü r alle technischen Werkstoffe.
     
    Wer
legt hier Felder an?
     
    Die
Neue Kraft war 2023 von einer Gruppe indischer Mathematiker und d ä nischer Physiker an einer amerikanischen
Forschungseinrichtung entdeckt worden. Wenn Sie Genaueres dazu wissen wollen,
sollten Sie jemanden fragen, der sich wirklich auskennt damit. Ich habe das nur
ungef ä hr so verstanden, dass die Schlussfolgerungen aus der
Quantentheorie irgendwann so praktisch wurden, wie die Ideen von Albert
Einstein. Mit diesem EnergiegleichMassemalLichtgeschwindigkeitimQuadratDingens
konnte man vierzig Jahre nach der Formulierung der Speziellen Relativit ä tstheorie schon die ersten Atombomben bauen. Die Sache
mit der in den Zwanziger- und Drei ß igerjahren des Zwanzigsten Jahrhunderts entworfenen Quantenmechanik war
wohl etwas komplizierter und es zog sich hin, bis man etwas Konkretes damit
anstellen konnte. Das war dann aber der Hammer! "Stellen Sie sich das so
vor", hatte einer der Forscher in einem Vortrag gesagt "dass sich die
Dampfkraft zur Atomenergie verh ä lt wie
die Atomenergie zur Neuen Kraft." Richtig vorstellen konnte ich mir das
zwar nie, aber die Welt hat sich daraufhin rasend schnell und v ö llig ver ä ndert.
     
    Die
Stra ß e zog sich. Zuerst fand ich ja, dass mir die Bewegung
und die frische Luft gut tun. Allm ä hlich sp ü rte ich jedoch eine Ersch ö pfung im ganzen K ö rper und die F üß e taten mir weh. Wann war ich zuletzt so weit zu Fu ß gegangen? Lange her jedenfalls. Am Horizont, dort wo
die gleichf ö rmigen grauen Wolken die langweilige Landschaft
trafen, standen einige nutzlose Hochspannungsmasten und hoben sich dunkel gegen
den Himmel ab.
     
    Die
Neue Kraft traf die Menschheit in einem Augenblick des Umbruchs an. Energie war
fr ü her immer knapp und teuer gewesen.  Der Zugang wurde
erkauft, erk ä mpft oder erzwungen. Ö l, Gas, Kohle und Uran lagen selten dort, wo man das
Zeugs f ü r den modernen westlichen Lebensstil gebraucht h ä tte. Gro ß e Konsortien bauten Rohrleitungen, die Erd ö l oder Gas ü ber tausende Kilometer durch Steppen und chaotische Nationalstaaten
heranf ü hrten. Riesige Tankerflotten waren unterwegs, um die
gro ß en Industriestaaten mit Energie zu