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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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empfinden, was sich später als Hilfe oder sogar als Rettung herausstellt;
    Von nun an war unser Leben, mehr als wir es uns selbst eingestanden, von Grund auf verändert.

    Sonst, wenn des Morgens Dora, durch die Klingel von unserem Erwachen benachrichtigt, das Frühstück hereinschob, sahen wir mit noch halb wirren Sinnen, wie sie die Jalousien hochzog. Ziemlich verbittert fragten wir, wie spät es sei. Wir blinzelten durchs Fenster, ob es hell oder trübe draußen war, dann gähnten wir uns so langsam munter, taumelten schlaftrunken ins Bad, kauten und tranken gedankenlos und begannen die Zeitung zu lesen. Sehr oft konnten wir uns nur langsam an die Tatsache gewöhnen, daß auch dieser Tag unter der Schmach und Drohung der Diktatur geschluckt werden müsse, und wir kämpften mit der Versuchung, die Decke einfach wieder hochzuziehen und weiterzuschlafen.
    Das war jetzt alles anders. Der Tag fing gleich ganz anders an, gewissermaßen mit einem Fanfarenstoß. Sobald nach unserem Klingeln Dora die Tür öffnete, schoß etwas wie ein Pfeil auf unser Bett los, trampelte mit der Rücksichtslosigkeit eines Kindes Frauchen auf der Brust und mir auf dem Gesicht herum und versuchte vor allen Dingen, in wahnsinniger Geschwindigkeit tausend feuchte Küßchen anzubringen. Daraus wurde dann im Handumdrehen ein Schimpfen und Lachen, ein strampelndes Sichwehren, ein Durcheinander von Hundebeinen und Menschengliedem, bis die Begrüßung endlich beendet war und Puck sich wie ein Keil bei einem seiner beiden Freunde unter die Decke wühlte.
    Es war erstaunlich, mit wieviel diplomatischem Geschick er sich in den Umstand fand, daß er jetzt zwei Götter über sich hatte. Er teilte seine Zuneigung ein in >Herrchen-< und >Frauchen-Tage<, und der jeweils weniger bevorzugte Teil war dann so ein ganz klein wenig eifersüchtig und fühlte deutlich einen feinen Stich der Vernachlässigung. Dafür kam er am nächsten Tag wieder an die Reihe und wurde überschwenglich entschädigt.
    Vergeblich waren alle Versuche, Puck irgendwie als Nutztier zu verwenden, zum Beispiel, indem man ihm die Post in die Schnauze gab, um sie uns zu bringen. Er schleppte sie mit Duldermiene ein paar Meter, schmiß sie dann irgendwo hin, kehrte um und stürzte mit dem Ball zu uns: Hier, das ist das Richtige, und nicht das blöde Papier! — Er hatte eben Charakter und tat nur das, was er selbst als nützlich und wesentlich anerkannte.
    Die Zeitung war zu Ende gelesen, aber bevor ich mich dazu aufraffte, den Tag im Ernst zu beginnen, holte ich aus der Tiefe meines Bettes das Fellwesen hervor, das dort eine glühende Hitze entwickelt hatte und unwillig grunzte, als man es ans Tageslicht zerrte. In den ersten Tagen sah ich es mir ausführlich an. War es doch schließlich der erste Hund, den ich besaß! Merkwürdig und wunderbar: Da waren die Beine, von dichtem weißem Fell umhüllt, die wie Trommelstöcke in wildem Wirbel des Galopps die Erde schlugen. Eins, zwei, drei, vier, fünf schwarze Polsterkissen unter jedem Fuß und weiter aufwärts die Wolfsklaue, eine verlorene Kralle, scharf und gebogen, die vielleicht irgendwann in der Urzeit einen Zweck gehabt hatte. Weiter aufwärts noch mal so ein schwarzes weiches Kissen. Die Haut des Körpers rosig unter dem weißen Fell, hier und dort schwarze Pigmentstellen. Die schwarz-porösen Nasenlöcher innen wie mit rosa Leder gefüttert. Jetzt sperrte dieses Wesen gähnend den Rachen auf und entblößte ein mörderisches Gebiß. Auch der Rachen oben von schwarzem Pigment durchsetzt und in Wellen geformt, wie flacher Meeresboden. Darin rosig, schmal und lang die Zunge. Puck verzerrte grinsend die Lefzen, ein kräftiges Hatschi, und ich mußte mein vor Feuchtigkeit triefendes Gesicht trocknen. So untersucht und nach allen Seiten hin- und hergewendet zu werden, hatte Puck leidenschaftlich gern, er kam sich dann absolut als Hauptperson vor und verdrehte die Augen vor Vergnügen.
    Übrigens, diese Augen! Sie waren nußbraun, die Iris nicht rund, sondern zum Augenwinkel hin abgeschrägt, wo auch eine kleine hellbraune Haut sichtbar wurde. Sobald aber ein Lichtstrahl aus der Gegenrichtung in die Augen fiel, flammten sie grün auf, in einem starken, smaragdenen Feuer. Der Blick des Hundes drang dann nicht mehr aus dem Auge heraus, sondern man sah durch diese Augen hindurch in das Innere eines wilden Wesens und glaubte das Feuer zu sehen, das sich in ihm entzündete, wenn er sich in der Raserei des Kampfes auf seine Gegner stürzte.
    Ach,

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