Puck
so mußte man denn ohne Reisegepäck auf den Spaziergang gehen.
Alles war jedoch sofort vergessen, als die Tür zur Freiheit sich öffnete.
Draußen waren Sonne und Wind, lockten tausend wunderbare Gerüche, hier ein Gruß von Mona, der Kerry-Blue-Hündin aus dem Nachbarhaus, und hier eine Botschaft von Rauch, dem Airedale und Feind.
Schmale weiße Pfoten raschelten behende durch dürres Laub, das vom Herbst her noch vereinzelt herumlag. Mitunter aber war es auch, trostlos untermischt mit Papierfetzen, zu Haufen zusammengefegt, und wenn man darüber stand und es sich so kitzelnd von unten herauf dem Bauche zuwölbte, dann konnte man eben nicht anders, dann mußte man eben das Bein in die Luft schwenken und einen kleinen Spritzer darüber hinziehen, selbst auf die Gefahr hin, daß man für den nächsten Laternenpfahl nichts mehr übrig hatte.
Puck trabte am Gitter entlang. Drüben auf der anderen Seite des Fahrdammes knirschten Herrchens breite, unbeholfene Füße mit dem dicken Lederfell im Sand, Herrchen brummte vor sich hin, schlenkerte mit der Leine und hob den Kopf gegen die Wolken. Ein Radfahrer, vor sich eine Tasche, kam vorbei. Die surrenden Spiralen der Räder und seine strampelnden Füße waren zweifellos eine Herausforderung. Rechtzeitig jedoch tauchte in der Erinnerung der Schmerz auf, den einmal der Schlag eines Pedals gegen die Nase und anschließend die von Herrchen geschwungene Leine verursacht hatten, und so begnügte sich Puck mit einem wütenden Vor- und Zurückspringen.
Aber sofort hatte das Gehirn in dem langen Fellköpfchen auf etwas Neues umgeschaltet: da war ja das halboffene Gittertor zum Park des verlassenen Schlößchens, Es gehörte einst einem reichen Spanier, der in den Wirren des Bürgerkriegs verschwunden war. Jetzt standen die schönen blauen und gelben Majolikavasen halb zerbrochen am Wege, in ihre dicken Bäuche waren wuchernde Pflanzen gekrochen und umrankten sie malerisch. In der Mitte stürzte der Park wohl an die fünf Meter steil ab zu einem Bassin, auf dessen blankes Wasser der Wind kleine Kräuselwellchen warf. Die steilen Abhänge voller Gestrüpp, dazwischen alte Drahtrollen, die ein Gärtner vergessen haben mochte, verrostete Gartenstühle. An Birkenstämmen lehnten vermoderte Bänke. Bisher hatte ich diese Stätte der Verkommenheit mit ihrem tragischen Hintergrund immer gemieden. Jetzt aber offenbarten sich mir ihre erregenden Aspekte.
Mit der Schnelligkeit eines fallenden Steines schoß der schmale Hundeleib durch die Wirrnis hindurch in die Tiefe. Sein Unterbewußtsein, in Tausendsteln von Sekunden arbeitend, ließ ihn mitten in sausender Schnelligkeit alle Domen und spitzen Drähte vermeiden. Nun über das kleine Rasenstück am Rande des Bassins! Erschrocken stoben die Wildenten hoch. Die durstige Zunge wurde ins Wasser gehängt und schaufelte schlappend die kalte Flüssigkeit in den dampfenden Rachen. Dann ein schneller Blick auf mich, der ich oben auf der Höhe stand und nachdenklich dieses verwunschene Abseits betrachtete. Und nun ging es kreuz und quer durch den Dschungel, der sich inmitten von Stein, Glas und Beton gebildet hatte. Durch den schweren Dunst der Erde, den Duft der Blätter und Hölzer drang ein wunderbarer Hauch: der Geruch eines jagbaren Tieres! Mehr als das, es war Pucks größter Traum, das Tier mit den langen Ohren! Dieses hier roch zwar nicht ganz so aufregend wie das damals vor dem Gitter des Zwingers, es war ja auch nur ein wildes Kaninchen — aber trotzdem, es war wunderbar! Da lief es! Vollgas! — Verschwunden hinter einem Bretterstapel. Rundherum um den Stapel die wilde Jagd — aber es blieb verschwunden, wie vom Erdboden verschluckt. Er lauschte mit angehaltenem Atem — da schlug ihm plötzlich ein anderer Geruch entgegen, nicht minder erregend: Pucks ganzer Körper begann zu zittern und zu glühen, die Augen funkelten grün, die Haare sträubten sich. Das brave Haushundchen platzte ab wie eine Schale; der Urahn, der jagende, wilde Fuchshund, fletschte die furchtbaren Zähne, und aus seiner tiefgewölbten, windschnittigen Brust drang ein tiefes, männlich herausforderndes Grollen. Der fauchende Kopf mit der geifernden Zunge preßte sich tief in den Holzstapel hinein, die Pfoten kratzten und scharrten an den Brettern — aber vergeblich. Dort, ganz hinten im dunklen Versteck, saß der alte Kater gemütlich und unerreichbar und lachte Puck mit entblößten Zähnen höhnisch aus.
Wie im Traum hörte Puck Herrchens Pfeifen. Aber
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