Puck
indem sie ihm Wein eingoß. Währenddessen stand ich schnell auf und brachte die Mappe in Sicherheit.
Albert wandte sich um und bemerkte den Hund, Gott sei Dank ohne zu sehen, was seiner Mappe passiert war.
»Haha, kleiner Kerl...« Er schnippte mit den Fingern: »Na, das wird euren Teppichen ja nicht gerade guttun!« sagte er dann mit tiefer Zufriedenheit. Während der Suppe hielt er uns einen Vortrag über die Seelenlosigkeit des Tieres und die Albernheit des Menschen, der in das Tier eine Seele hineingeheimnisse. Das Frauchen erzählte die Szene mit dem Futternapf. Albert strahlte über das ganze Gesicht: »Da siehst du, mein Junge, keine Ahnung von Vatergefühl! Das ist eben anders als bei uns.«
Ich begann mich zu ereifern: »Na hör mal, wenn deine Frau in der Klinik ein Kind bekommt...«
»Hat sie ja, hat sie ja!«
»Nun hör doch mal zu, also deine Frau bekommt in der Klinik ein Kind und du bist gerade verreist...«
»Dann telegrafiert sie!«
»Halt doch mal die Luft an! Also, deine Frau bekommt ein Kind, in der Klinik, du bist verreist — ruhig jetzt, keine Unterbrechung bitte — du kommst erst nach ein paar Wochen zurück, und man legt dir eine Reihe von — sagen wir — zwölf Säuglingen vor; würdest du dein Kind herausfinden?«
»Warum muß er erst ein paar Wochen verreisen?« fragte Frauchen. »Man kann ihm doch gleich die zwölf Säuglinge vorlegen, dann ist es sogar noch schwerer, denn da sehen sie alle aus wie Bratäpfel.«
»Mein Sohn sah keineswegs wie ein Bratapfel aus!« empörte sich Albert.
»Na, also dann wie ein Äffchen«, sagte ich. »Jedenfalls würdest du...«
»Jawohl! Selbstverständlich würde ich!« erklärte er voller Überzeugung.
»Ich weiß nicht«, meinte die Gefährtin nachdenklich, »ich glaube, selbst ich als Mutter würde es nicht können.«
Albert griff nach ihrer Hand: »Aber Kindchen! Das kommt daher, daß du bisher eben nicht in dieser Situation — ich meine...« Ich brachte schnell die Karaffe und die Gläser aus seiner Reichweite, die gefährdet waren, wenn er jemanden handgreiflich überzeugen wollte. »Die Stimme des Blutes, mein Kind«, erklärte er, »ist untrüglich, wenigstens bei höher organisierten Wesen wie uns.«
Die Gefährtin wußte gar nicht, wohin sie sehen sollte, während ich mir hinter Alberts Rücken ein Grinsen gestattete. War es doch ein öffentliches Geheimnis, daß sein Sohn das Mitbringsel einer Garcjonnereise seiner Frau nach Trouville war und nach Aussage von Kennern eine immer peinlichere Ähnlichkeit mit einem bekannten Rennreiter zeigte. »Bei den Rehen und Schafen«, sagte ich, »weiß man’s ja, daß die Mütter ihre Kinder kennen, am Geruch nämlich. Bei uns ist das bestimmt nicht möglich, und das ist unter Umständen manchmal recht gut.«
Die Gefährtin gab mir unter dem Tisch einen Tritt, und ich schwenkte rasch ab. »Diese Dinge sind eben sehr kompliziert. Komm, gib deinen Teller her!« Dora war mit der Fortsetzung des Mittagessens erschienen, und in diesem Augenblick hörte ich unter dem Tisch ein dumpfes Knurren. Ich bückte mich und konnte Puck eben noch am Schwanz erwischen, der sich hinter Dora hereingeschlichen hatte. Er mußte im Bad so lange hochgesprungen sein, bis er die Klinke erwischt hatte. Cocktail hatte sich schutzsuchend zwischen Alberts Schuhe verkrochen und saß dort, schreckversteinert, einen Schnürsenkel im Maul. Ich packte Puck, trug ihn wieder ins Bad und wollte ihm einen Klaps geben. Da bemerkte ich, daß er am Kopf eine Wunde hatte. Offenbar hatte er sich an der Klinke geschlagen. Aus seinen Augen traf mich ein brauner, tiefer Blick voller Gram. Ich hob ihn hoch, gab ihm einen Kuß auf die Schnauze: »Sei doch friedlich, alter Kerl«, sagte ich, »du bist mein Einziger und Bester! Herrchen und Frauchen vergessen dich niemals!« Er legte beide Pfoten um meinen Hals, schob den Kopf unter mein Kinn und schluckte schwer. Als er sah, daß er im Bad bleiben mußte, kroch er todtraurig in sein Körbchen und rollte sich dort zusammen.
Als ich ins Eßzimmer zurückkam, mochte ich Cocktail gar nicht mehr. Ich kroch unter den Tisch, angelte ihn zwischen Alberts Schuhen hervor, setzte ihn in den Wintergarten und schloß die Tür. »Den Steinfußboden kann man leichter aufwischen«, erklärte ich der Gefährtin.
»Aber er wird sich erkälten!«
»Er erkältet sich nicht, und außerdem habe ich jetzt genug von der Hundewirtschaft.«
»Bravo!« sagte Albert. »Sei ein Mann — Prost!«
Wir wurden
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