Puck
ihn erst spät am Nachmittag wieder los. Um ganz sicher zu sein, daß er tatsächlich ging, brachten wir ihn bis auf die Straße. Cocktail nahmen wir mit, während Dora den Wintergarten aufwischte. Dann versuchten wir mit Cocktail etwas spazierenzugehen. Es war ein Mißerfolg, er bewegte sich sternförmig in alle Richtungen. Einmal versuchte er sogar, wieder ein Bein zu heben, aber es kam nichts.
»Er hebt es sich auf«, sagte ich. Kurz darauf legte er sich auf den Rücken und wollte nicht mehr. Wir nahmen ihn auf und gingen ins Haus zurück.
»Jetzt fahren wir ins Kino!« sagte Frauchen. »Wir haben es verdient.«
»Aber erst gehe ich noch mal mit Puck«, verkündete ich.
Er war wie wahnsinnig vor Freude, im Galopp ging er über alle Hecken. Wir spielten Ball und machten Stockspringen und besichtigten den Tennisplatz. Das war doch ein Leben! Dann lieferte ich ihn wieder zu Hause ab, wo Frauchen währenddessen den Wagen herausgeholt hatte. Wir fuhren in dem gruseligen Gefühl ab, daß derweil in unserem Rücken die Welt unterging.
Als wir heimkamen, schlichen wir uns mit klopfendem Herzen zunächst ins Bad, wo wir unseren Puck umarmten. Wir legten ihn dann wieder in sein Körbchen und deckten ihn zu. Als wir hinausgingen, warf er die Decke mit dem Kopf zur Seite und schickte uns einen traurigen Blick nach: Ich weiß, wohin ihr jetzt geht! Dann öffneten wir vorsichtig die Küchentür. An einigen Stellen hatte Dora gewischt, das Linoleum zeigte noch die feuchten Spuren. Aber sonst sahen wir nichts. »Das ist ja großartig!« flüsterte ich. »Komm, gehen wir schnell!«
In diesem Augenblick öffnete sich knarrend die Tür zu Doras Zimmer. Sie erschien, nachtgewandet, was mich wegen der darunter wogenden Fülle genierte. Mit der einen Hand hielt sie ihr mächtiges Dekollete zusammen, und in der anderen Hand hatte sie die kleine weiße Ratte mit Schnurrbart. Seine knallblauen Kälberaugen blickten äußerst unternehmungslustig. Doras Ausdruck hingegen war tragisch. »Nehmen Sie ihn?« fragte sie Frauchen, und in ihrer Frage klang die Dumpfheit des Befehls. »In der Küche hat er geschrien, daß man es bis gegenüber gehört hat. Ich mußte ihn ins Bett nehmen. Da war er ganz ruhig, aber dann mußte ich frisch beziehen.«
»Ja, natürlich, Dora«, sagte Frauchen, »entschuldigen Sie, bitte. Geben Sie ihn mir. Ach Gott — ist er süß — ist er nicht süß?«
Ich fand ihn auch süß. Der kleine Schnurrbart verlieh ihm die Grimmigkeit eines Postmannes hinter dem Schalter. Und jetzt reichte er mir von Frauchens Arm weiß Gott ein Pfötchen mit winzigen rosa Krallen. Ich mußte ihn auch nehmen und ein bißchen knuddeln. Dann gingen wir zu Bett und legten ihn auf ein Kissen zu Frauchens Füßen. Er kringelte sich zusammen und entschlummerte sofort. Sie löschte das Licht.
»Es geht alles gut!« flüsterte ich. »Gott sei Dank scheint er müde zu sein.«
»Ach Gott, diese kleinen Wesen...«, antwortete Frauchen ebenso flüsternd. In diesem Augenblick begann das kleine Wesen zu schnarchen wie eine Motorsäge.
»Nun sag bloß«, fragte ich, »wo holt der Kerl diese Bässe her?«
Pause.
Dann begann er zur Abwechslung im Traum zu bellen, schrille kleine Hetzlaute. Frauchen machte wieder Licht und beugte sich über ihn. Er hatte die Augen halb offen und bewegte die kleinen Gummipfoten, als laufe er Galopp. Licht aus. Motorsäge. Licht an. Diesmal war ich es.
»Hör zu«, sagte ich, »das ist unmöglich auszuhalten. Morgen früh habe ich eine Konferenz. Ich nehme jetzt dieses ganze Paket und trage es in die Küche.«
»Dort wird er frieren.«
»Wir haben doch noch die alte Decke, die lege ich ihm über.«
Ich tat es. Als ich am Bad vorbeikam, kratzte Puck innen gegen die Tür. Ich legte den Kleinen in die Küche, deckte ihn zu, er rollte sich zusammen und schnaufte. Seine kleinen Lefzen mit dem Bart blähten sich dabei auf. Süß war er ja doch. Auf dem Rückweg ging ich noch mal zu Puck hinein. Er stand an der Tür, mit schiefem Kopf, und hatte eine fiebrig-heiße Nase vor lauter Kummer. Ich streichelte ihn, brachte auch ihn nochmals zu Bett. Dann legte ich mich wieder hin. Meine Sinne begannen sich zu verwirren.
Uuääääääähhhhhhh!!!!
Ein Urlaut aus dem Behandlungszimmer eines Zahnarztes, gekreuzt mit dem Gebrüll eines Säuglings, der seit Stunden in nassen Windeln liegt. Lautstärke: löwenähnlich.
»Großer Gott«, sagte ich, »das ist ja furchtbar!«
Uuäääääääähhhhhh!!!!!
Und nun antwortete
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