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Puck

Puck

Titel: Puck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans G. Bentz
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überhaupt nicht, daß ich anrufe«, sagte er, »ihr habt euch ja gar nicht gerührt!«
    Plötzlich kam mir eine Erleuchtung: »Was — nicht gerührt? Du irrst, mein Lieber! Wir haben sogar ein entzückendes Geschenk für euch, es war nur sozusagen noch nicht fertig. Aber jetzt könnt ihr es euch abholen.«
    Nun wurde er neugierig: »Was denn? Kannst du es mir nicht sagen?«
    »Nein. Kommt her, seht es euch an!« Und damit hängte ich auf.
    »Was redest du für einen Unsinn?« fragte die Gefährtin, die den Mund vor lauter Gähnen gar nicht mehr zubrachte.
    »Cocktail!«
    »Ach...« Sie sah ihn an, wie er, einen meiner Pantoffeln hinter sich herzerrend, mühsam durch die Gegend wandte: »Eigentlich ist es vielleicht doch schade, er ist so süß.«
    »Hör zu, mein gutes Kind...«
    »Schon gut, schon gut.«
    »Denke an Puck.«
    »Ich denke überhaupt nichts mehr. Ich brauche Kaffee, starken Kaffee, Kaffee-Extrakt.«
    Nach einer halben Stunde läutete es. Es waren Philipp und seine Sybille. Cocktail wurde vorgeführt. Sybilles Entzücken war grenzenlos. »Also, das vergesse ich euch wirklich nicht!«
    »Nein, das wirst du auch nicht so bald«, sagte ich.
    »So was Süßes, wie Kopenhagener Porzellan, findest du nicht, Philipp?«
    »Ja, Schatzi, er ist wirklich goldig, vor allen Dingen so ein originelles Geschenk, mal was anderes als die blöden Standuhren, Vasen und was weiß ich noch, wirklich mit Liebe ausgesucht!«
    »Ja — mit Liebe!« sagte Frauchen und gähnte.
    Die beiden hatten es eilig, wegzukommen.
    Erst nach einer Woche trauten wir uns zu ihnen. Sie empfingen uns bleich, aber gefaßt. Philipp machte den Mund auf, aber Sybille fixierte ihn: »Er ist entzückend!« erklärte sie. »Erst hat er noch nach der Mutter geweint, aber jetzt fängt er an, mit uns zu spielen, und er ist auch schon fast stubenrein.«
    Ich ließ meinen Blick über die Flecke auf dem Teppich wandern und nickte: »Das ist schön! Na — und du, Philipp?«
    Er seufzte: »Weißt du, eigentlich hatte ich mir das alles ja ganz anders vorgestellt. Aber man muß sich eben abfinden, verstehst du? Kennst du die Geschichte, wie der Mann den Ziegenbock in der Lotterie gewinnt?«
    »Kenne ich«, sagte ich teilnehmend, »aber wie Sybille richtig meinte: Er ist ja schon fast stubenrein.«
    Am Nachmittag dieses Tages machte ich — aus Dankbarkeit, daß wir Cocktail entronnen waren — mit Puck einen langen Spaziergang bis zur Eisenbahnbrücke. Auf halbem Wege dorthin begann es zu brummen, und dann sah ich, dicht über der Stadt, viele dunkelgraue Flugzeuge mit dem Eisernen Kreuz fliegen, sehr schnell und im Typ mir völlig unbekannt. Während ich stehenblieb und sie beobachtete, setzte sich Puck dicht neben mich und betrachtete sie mit schiefem Kopf. Auf der Brücke blieb ich abermals stehen. Unten rollte es vorbei: zwei endlose Güterzüge dicht hintereinander. Was darauf stand, war mit bunter Leinwand verhüllt, sah aber sehr nach Geschützen aus. Beim zweiten Zug war die Tarnung noch schlechter. Das waren ohne jeden Zweifel Panzer.
    Sie fuhren nach Osten.
    Es lief mir kalt über den Rücken. Was für eine furchtbare Maschinerie enthüllte sich da? Wie hatte der Schwager gesagt: Über der Ruhr ist der Himmel rot... Unsinn, Bluff, alles Bluff. Und die anderen würden genauso darauf hereinfallen wie bei Österreich und der Tschechoslowakei...

Verloren

    In den nächsten Wochen zog es sich immer enger um uns zusammen. Die Spannung wuchs, und die Perspektiven nach beiden Seiten des Schicksalsweges waren gleich furchtbar. Vor dem Gedanken an einen Krieg mußte jeder normal denkende und fühlende Mensch in Entsetzen zurückschaudern. Andererseits bestand, wenn kein Krieg kam, keine Aussicht, die Diktatur, unter der man als freier Mensch ja nur vegetieren konnte, in absehbarer Zeit loszuwerden. Die alte Wahl: ein Ende mit Schrecken oder ein Schrecken ohne Ende. Immer mehr unserer Freunde und >Stammgäste< gingen ins Ausland, und wenn man mit den letzten, die noch da waren, zusammenkam, wurde doch immer nur >das Thema< diskutiert. Vielleicht, daß man sich in den Ferien irgendwohin verkriechen konnte, aber wie wollte man die Wochen bis dahin durchstehen? Einmal ‘raus, irgendwohin, wo einen niemand kannte, irgendwie untertauchen in der Anonymität der Masse, in ihrem Gewimmel, in ihrem Lärm.
    So kam es denn, daß wir eines schönen Sommertages beschlossen, einfach ins Grüne zu fahren. Wir packten unser kleines Fellpferd auf und fuhren in das große

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