Puck
starben, halbe Völker verhungerten, Städte und Fabriken verbrannten, Millionen von Einzelschicksalen waren darin eingebettet: Heldentaten, Niedertracht, Verrat und Mord, von denen nie die Rede sein würde. Wir lebten auf einer Insel, wie in einem Traum.
Am besten aber lebte das Puckchen. Er war von morgens bis abends fieberhaft beschäftigt, obwohl wir ihn nach Möglichkeit in engster Nähe des Hauses hielten. Es galt, zahllose Maulwurfshügel umzugraben, die die verschneiten Wiesen betupften und von denen es jeden Morgen neue gab. Dann waren die Rebhühner zu jagen. Ein ganzes Volk von zehn Stück lebte jenseits des Baches. Sie gruben sich im dichten Schnee ein, kuschelten sich aneinander, um sich zu wärmen, während das Hähnchen als rührend treuer Wachtposten auf dem Rand der Schneegrube stand und Ausschau hielt. Welche Lust, sie aufzuscheuchen, so daß sie mit metallischem Geschwirr dicht vor der Nase abstrichen! Hundert Meter weiter ließen sie sich wieder nieder, und das Spiel konnte von neuem beginnen, bis man so erschöpft und heiß war, daß man Schnee fressen mußte.
Sehr bemerkenswert waren auch die Krähen. Sie mußte man scharf im Auge behalten, denn wenn sie sich, mit schweren Flügelschlägen hinzustreichend, irgendwo versammelten, gab es mitunter etwas, was man ihnen abjagen konnte, zum Beispiel eingefallenes Wild. Puck partizipierte am Aas. Das Mäkeln hatte er sich längst abgewöhnt, und in dieser Beziehung kam der Wildhund mehr und mehr zum Vorschein. Es stellte sich sogar heraus, daß er beim Loisacher, unten am Ortsrand, auftauchte und aus den Schweineeimern fraß. Oft aber — als der Winter immer grimmiger wurde — war das Futter darin schon gefroren. Die schneidende Kälte trieb die Bergdohlen mit ihren gelben Füßen und dem frechen Tschaktschak zu Tal. Sie hausten zwar meist im Kirchturm, aber manchmal sah Puck sie auch auf den Feldern, wo sie mit ihren dicken Schnäbeln im Schnee wühlten. Auch sie konnte man prächtig jagen.
Daheim lagen Herrchen und Frauchen jetzt oft, auch am Tage, im Bett, weil die Kohlen zu Ende gingen und sie immer weniger den Weg bis ins Städtchen fanden. Holz war zu teuer. So kroch Puck denn zu den Menschen ins Bett, und zu dritt wurde man schließlich einigermaßen warm.
Herrchen, der nun schon wieder kleine Spaziergänge machen konnte, fand aber dort, wo die endlos hohen Felsmauern begannen, Tannenzapfen. Er nahm sie mit, und man trocknete sie auf dem einzigen brennenden Ofen des Hauses im großen Zimmer der alten Dame. Als sie für gut zum Brennen befunden wurden, begann Herrchen die Sache systematisch zu betreiben. Er nahm sich den Schlitten, belud ihn mit Hacke, Schaufel und Säcken und stieg in den Wald hinauf. Puck begleitete ihn auf Schritt und Tritt, aber es dauerte sehr lange, bis er begriff, was Herrchen eigentlich von ihm wollte. Immer wieder hatte er ihm einen Zapfen hingehalten. Puck hatte ihn auch höflich genommen und weggeschleppt, aber das Vergnügen war sehr mäßig: Herrchen holte den Tannenzapfen wieder und warf ihn in den Sack. Als Puck ihn herausangeln wollte, bekam er einen Klaps und wurde in den Wald geschickt. Als er dort ziellos herumstöberte, kam Herrchen nach, nahm einen Zapfen und hielt ihn Puck vor die Nase: »Zapfen!« sagte Herrchen, »Zapfen!«, und dann ging er an den Sack, warf ihn hinein und drehte sich zu Puck um: »Lauf — hol Zapfen, Zapfen — schnell, hol Zapfen!« Puck schwänzelte und gab sich die größte Mühe zu verstehen. Sollte es möglich sein, daß Herrchen an etwas so völlig Ungenießbarem wie einem Tannenzapfen Interesse hatte? Er zerrte einen aus der Erde und brachte ihn. Herrchen zeigte sich begeistert. Puck wurde gelobt, gestreichelt und wieder losgeschickt: »Zapfen — Zapfen!«
»Mindestens die Hälfte hat Puck gesammelt!« berichtete Herrchen stolz, als sie heimkamen.
Das Zapfenspiel dauerte aber nur eine kurze Weile. Dann wurde es Puck zu langweilig. Vor allem gab es so viel anderes Aufregendes. Da war zum Beispiel beim Lampersberger — ein großer Hof unterhalb des Professor-Hauses — im tiefverschneiten Gemüsegarten ein Tier, das er noch nie gesehen hatte. Es war schneeweiß, klein, lang, dünn, hatte schwarze, kleine Augen, nadelspitze, gefährliche Zähne und konnte sich auf den Hinterbeinen aufrichten, ein Wiesel im Winterpelz, ein Hermelin. Puck jagte es tagelang, ohne Erfolg, aber mit um so größerer Lust. Es roch erregend scharf und hatte die Gabe, in hundert selbstgegrabenen
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