Puerta Oscura - 01 - Totenreise
zustoßen konnte, vorzubereiten hatte.
»Wir verstehen, was du für sie empfindest«, begann er erneut. »Doch du könntest vor eine solche Entscheidung gestellt werden.«
»Aber ich kann sie doch nicht dortlassen und einfach zurückkehren …«
»Vielleicht kommt es ja gar nicht so weit«, sagte Beatrice leise, die das Erschrecken von Pascal verstand. Und sie legte tröstlich ihre Hand auf seine Schulter.
»Hoffentlich«, seufzte nun auch De Polignac und blickte Pascal eindringlich an. »Du musst dir aber darüber im Klaren sein, im richtigen Moment das Richtige zu tun. Wie würdest du dich also entscheiden, vor die Wahl gestellt?«
Pascal antwortete nicht.
De Polignac wartete auf seine Reaktion, den Blick unverwandt auf ihn gerichtet. Schließlich wandte er sich ab und ging zur Kathedrale zurück. Beatrice folgte ihm und schließlich auch Pascal. Er holte das Mädchen ein, durchschritt neben ihr das Portal, doch noch immer kam kein Wort über seine Lippen.
Die drei kletterten auf einen der Türme, um sich den riesigen dunklen Raum ringsum anzusehen, der von Leuchtpfaden durchzogen war.
»Ihr geht in dieses Gebiet«, teilte ihnen der Graf mit und zeigte dorthin, wo die leuchtenden Wege endeten. »Dahinter beginnt das Reich der Finsternis, das von unserem durch den Wächterturm getrennt ist; sein Tor wird vom Orden der Wächter beschützt. Du als Wanderer kannst hindurch. Sobald du die Welt der Finsternis betrittst, bleibt die Zeit stehen, bis du wieder ins Reich des Wartens zurückkehrst.«
Pascal testete seinen Stein. Das Blinken bestätigte die Worte des Grafen: Das Böse lag in der angezeigten Richtung.
»So wie Fährmann und Zerberus den Eingang zum Reich der Toten bewachen, passt der Orden der Wächter auf die Bewegungen innerhalb unseres Reiches auf. Das Tor des Wachturms ist geschlossen und hindert die verdammten Geschöpfe daran, vom Reich der Finsternis auf unser Gebiet zu wechseln.« Pascal nickte aufmerksam. »Die Wächter garantieren das Gleichgewicht unter den Gebieten. Sie bewachen jegliche Zugänge, die zwischen den Regionen existieren.«
»Jedem Toten wird ein bestimmter Ort zugewiesen, je nachdem, wie sein Leben war, ein Ort, von dem er sich nicht entfernen kann«, erklärte Beatrice. »Nur im Zwischenreich gibt es einen vorübergehenden Platz, bis der Ruf des Guten erklingt oder das Böse einen holt.«
Pascal nickte, davon hatte er schon gehört und es verstanden. Doch jetzt sah er einen Widerspruch in dieser Ordnung.
»Die Ghule sind Wesen des Bösen, oder?«, fragte er deshalb. »Trotzdem bewegen sie sich auf eurem Gebiet.«
Beatrice nickte bestätigend.
»Einige Wesen des Bösen haben die Erlaubnis, sich im Zwischenreich aufzuhalten«, antwortete sie. »Ihr Ursprung, ihre Herkunft ist nicht eindeutig bestimmbar.«
»Und warum dürfen sie das?«
»Niemand weiß es genau«, schaltete sich De Polignac ein. »Das war schon immer so, von Anbeginn der Zeiten an. Vielleicht damit den Wartenden in unserem Reich stets ihr mögliches Schicksal vor Augen geführt wird.«
Pascal blickte nachdenklich vor sich hin, bevor er die nächste Frage stellte.
»Das Reich des Bösen, das Zwischenreich«, begann er. »Wo ist dann eigentlich das Reich des Guten?«
De Polignac und Beatrice setzten zugleich ein wissendes Gesicht auf, als hätten sie diese Frage erwartet.
»Nicht in dieser Dimension.« Der Graf zuckte mit den Schultern. »Man kommt nur dorthin, wenn man geholt wird. Mehr ist nicht bekannt.«
Eine Weile schwiegen die drei, es schien alles gesagt zu sein, doch war da noch immer die Antwort auf jene Frage offen, die der Graf vorhin gestellt hatte. »Pascal, wie würdest du dich entscheiden, vor die Wahl gestellt …?«
Pascal wusste, dass der Graf auf ein Wort von ihm dazu wartete. Und da kam es auch schon: »Was würdest du also tun?«, fragte De Polignac. »Du weißt, wovon ich spreche. Ich nehme an, du bist dir des Privilegs bewusst, der Wanderer zu sein.«
Privileg oder Strafe? Pascal begriff inmitten seiner Angst, dass es keine böse Absicht von De Polignac war, ihn so in die Enge zu treiben. Der Graf wollte ihm lediglich die Augen für mögliche Hindernisse auf dem Weg öffnen, und er hatte sich das Vertrackteste bis zum Schluss aufbewahrt.
»Einverstanden«, sagte Pascal ergeben. »Wenn die Aussichten zu schlecht sind, kehren wir ohne Michelle zurück.«
Pascal wusste, dass er nicht dazu in der Lage wäre. Er würde lieber dem Bösen erliegen, als seine Freundin im Stich zu
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