Puerta Oscura - 01 - Totenreise
Welt unterscheidet sich völlig von deiner. Du darfst keinerlei Erscheinungsbild trauen. Was du dort siehst … sind nicht einfach nur Schatten.«
Als wollte die Wirklichkeit Beatrices Worten Gewicht verleihen, erreichte der Kampf zwischen dem Mann und den fliegenden Wesen eine neue Phase. Erschüttert sah Pascal, wie diese schwarzen, fließenden Schemen sich spannenweit von ihrem Opfer entfernten und ihm, wie Beatrice gesagt hatte, dabei die Haut in Streifen abzogen.
Der Ärmste brüllte vor Schmerz. Pascal musste den Blick abwenden und entsetzt hielt er sich die Ohren zu.
»Du kannst nichts für ihn tun«, stellte Beatrice fest, die wusste, was in ihm vorging. »Dein Schwert ist bei diesen Wesen nutzlos, man kann nicht die Luft durchschneiden.«
»Wie soll ich mich nur an den Gedanken gewöhnen«, sagte Pascal und seufzte, »nicht helfen zu können … Jemand, der gerade erst dem Tod entronnen ist …«
»Du verstehst nicht«, fügte sie hinzu. »Wir dürfen es nicht einmal versuchen.«
»Warum?«
»Er war ein Verdammter«, erwiderte sie. »Frei war er nur, als er noch zur Welt der Lebenden gehörte. Wir dürfen uns nicht in das Schicksal einmischen. Es war so vorherbestimmt.«
Pascal wusste nicht, was er darauf sagen sollte. Er war kein Richter, sein Denken war allein von Mitgefühl bestimmt.
Beatrice packte ihn nun am Arm: »Besser, wir gehen, bevor die Wolke mit dem Mann fertig ist und sich über uns hermacht. Noch einmal: Wir können nichts für ihn tun.«
Pascal nickte bedrückt, er gab nach. Und nachdem sie mithilfe des Steins die Richtung bestimmt hatten, entfernten sie sich eilig. Sie mussten sich auf das konzentrieren, was vor ihnen lag; ihre Aufgabe, wegen der sie unterwegs waren – sie ließ sich nun einmal nur erfüllen, wenn sie am Leben blieben … Ihre Vorsicht sollte sich bald als richtig erweisen, denn eine andere Wolke, die in einer entfernten Senke geschwebt hatte, kam nun auf sie zu. Das Schattengebilde hatte sie zweifellos entdeckt. Und die Gestalten, aus denen es bestand, waren hungrig.
***
Diese dröhnende Stimme und die massige Gestalt im Türrahmen … Dominique und Daphne erkannten sie sofort: Es war die Kommissarin Marguerite Betancourt. Dies war die Nacht der Überraschungen; alles schien zur Dunklen Pforte gerufen worden zu sein.
Der Vampir zerrte Marcel Laville halb zur Seite, ohne seinen Griff zu lockern, und wandte sich ihr höhnisch zu. Eine Sterbliche mit einer harmlosen Schusswaffe würde ihn nicht daran hindern, den Wächter zu erdrosseln. Er würde sich später um sie kümmern.
Marguerite, die sah, dass die Situation prekär war, wiederholte ihren Befehl nicht noch einmal. Reaktionsschnell nutzte sie die Blöße, die Varney ihr bot, und schoss. Der Vampir spürte, wie das Projektil in ihn eindrang, und fühlte einen viel größeren Schmerz, als er erwartet hatte. Es war Silber.
Nun wusste er, dass es für ihn keine Rettung mehr gab, und in letzter ohnmächtiger Wut wollte er den Wächter töten. Das Geschoss im Leib, drückte er ihm weiter die Kehle zu und bemerkte, wie die Kräfte des Wächters schwanden. Varney opferte die letzte Chance zu fliehen, um jenen, der schuld an seinem Scheitern war, umzubringen.
Marguerite änderte ihre Position und schoss erneut, diesmal auf sein Herz. Einmal, zweimal, dreimal. Ein lautes Heulen drang aus dem Mund des sterbenden Vampirs, der sich unter jeder Kugel wand – jedoch ohne seinen eisernen Griff zu lockern. Marguerite konnte es nicht begreifen; noch nie hatte sie erlebt, dass ein Körper solchen Verletzungen widerstand.
Sie drückte noch einmal ab. Die vierte Kugel blies dem Vampir einen Teil seines Kopfes weg, und wie ein Sack stürzte er zu Boden.
Zur Sicherheit gab die Kommissarin zwei weitere Schüsse ab, Varney röchelte ein letztes Mal, dann rührte er sich nicht mehr.
Marcel lehnte an der Wand. Er atmete schwach, kurz davor, das Bewusstsein zu verlieren, und rutschte langsam auf den Boden. Marguerite eilte zu ihm und stellte fest, dass er mehrere Verletzungen hatte.
»Marcel! Hörst du mich? Halte durch! Gleich kommt Verstärkung!«
Er nickte mühsam.
»Er ist tot, Marcel«, versuchte Marguerite ihn zu beruhigen.
»Schon seit Jahren«, dachte er, und fast musste er lächeln.
»Das war das letzte Mal, dass du mich zu so einer Party nicht mitnimmst«, warf sie ihm liebevoll vor und wischte mit einem Taschentuch sein Gesicht ab. »Zum Glück trau ich dir nicht und bin dir gefolgt! Als du nicht mehr aus dem
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