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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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im Interesse ihrer Parteien um die Herrschaft über die Insel. Kingston wurde zu einer Mini-Front im Kalten Krieg.
    In den Achtzigern machte der Drogenhandel dann einige Dons so reich, dass sie auf den Staat nicht mehr angewiesen waren. Die Garrisons wurden zu Quasi-Staaten. Die Dons konnten ihre eigenen Waffen kaufen; sie konnten Truppen aufstellen. Sie begannen, den Ministern die Bedingungen zu diktieren. Zumindest, wenn die Minister an den Tausenden Stimmen interessiert waren, die die Dons kontrollierten.
    »Was ich in ›Don't Touch the President‹ sage, ist Folgendes«, erklärte mir Bunny. »Wenn man Dudus beseitigt, kommt ein neuer Dudus. So lange, bis man die Ursache behebt«, nämlich die Korruption in den Ministerien. Dudus sei ein guter Don gewesen, sagte er. Bunny formulierte es so: »Er nimmt das Schlechte und macht es gut, wie Jesus Christus.« Ich fragte ihn, ob er Dudus je getroffen habe. Vielleicht bei einem der passa passas , den Stadtteilkonzerten, die der Don veranstaltet hatte?
    »Hab ihn nie gesehen«, sagte er.
    Er ließ das Metalltor mit Ketten und Vorhängeschlössern sichern. Ein freundlicher, aber gefährlich aussehender Köter patrouillierte durch den Innenhof. Bunny lehnte sich nach vorne und wippte auf den Zehen. Seine beiden Mobiltelefone klingelten ununterbrochen. Llewis kann das bestätigen. Ununterbrochen. »Und das Beste war«, sagte Llewis, »er hat nie geguckt, wer es war, aber er hat sie auch nicht ausgeschaltet.« Es stimmte – er ließ sie einfach immer weiterklingeln. Ich gewöhnte mich daran.
    Ein kleiner Junge kam vorbei und klopfte an. Ich nahm an, dass die Leute oft vorbeikamen und um Hilfe baten. » Who that ? Wer da? Nein, passt gerade nicht, check me back likkle more , hörst du, Soldier ? Komm später wieder, bin gerade in einer wichtigen Besprechung.« Der Junge hörte nicht. Wir konnten seine Augen durch einen Spalt im Tor sehen. » CHECK ME BACK LIKKLE MORE !«, schrie Bunny. Ab und zu lief einer seiner Söhne über die grün bewachsene Terrasse. Ein Poster seiner Tochter, der Nachwuchssängerin Cen'c Love, lehnte an einer Wand. Es war eine gute Burg für den Blackheart Man .
    Anscheinend war er in der Stimmung zu sprechen, und nicht nur das – er schien bereit, über die alten Zeiten zu reden. Ich wollte nicht zu sehr darauf drängen, ihn nicht wie ein Fossil behandeln. Er schreibt gelegentlich immer noch Lieder und geht auf Mini-Tourneen. Manche Künstler begreifen es als Kritik, wenn man ihnen zu viele Fragen zu ihren alten Sachen stellt.
    Bunny begann, vom jungen Bob Marley zu erzählen, und wie er war, als sie zusammen die Stepney All Age School in St. Ann besuchten. Damals hatten sie Bob bei seinem Geburtsnamen Nesta genannt.
    »Viele Menschen kennen das Wesen seiner Persönlichkeit nicht«, sagte Bunny. »Von Kindheit an war Bob dafür geschaf
fen, diese Ikone zu sein, ein Heiliger.« Die schmerzhafte Erfahrung, gemischtrassig zu sein, hat schon früh seine Sensibilität verstärkt. Sein Vater war ein Weißer, Captain beim Britischen Militär, Norval Sinclair Marley. Bunny fand, dass der Einfluss dieser Seite auf Bobs Kindheit zu wenig beachtet wurde. Bob war »als Niemand« aufgewachsen. Im Jamaika jener Zeit war »das gemischte Kind eine Schande, denn es brachte Schande über die Familie des weißen Mannes und die Familie der schwarzen Frau«.
    »Bob sah dich an und sagte: ›Glaubst du, Gott ist weiß ? God BLACK !‹ Ah-haa! « Bunny hob den Finger. »Und sein Vater ist weiß, Captain Marley, und seine Gene sind auch in Bob.« Bunny hatte das offensichtlich genau durchdacht. Er lachte finster und schüttelte den Kopf. »Aha, immer noch der Captain«, sagte er.
    Bob kam vom Land, während Bunnys Familie erst aufs Land gezogen war; sie stammten aus Kingston. Bunny brachte sein Musikwissen mit – als Kind hatte er Tanzwettbewerbe gewonnen. In der Erweckungskirche von St. Ann, wo Bunnys Vater predigte, begleitete er die Lieder auf der Trommel. »Ich war ein sehr guter Schlagzeuger«, sagte er. »Manchmal brauchten sie mich, um die richtige Stimmung in der Kirche zu erzeugen.«
    Bunny spielte seine selbstgebaute Gitarre im Dorf, und Bob sah, wie viele Leute kamen, um ihm zuzuhören. »Das war das einzige Vergnügen in dieser Einöde«, lachte Bunny. Er zeigte Bob, wie man Gitarren baut.
    Der Eifer, mit dem Bob sich in die Musik einarbeitete, erschreckte Bunny. »Für mich war es ein Hobby, mit dem ich die Leute unterhalten konnte«, sagte er. »Bob

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