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Pulphead

Pulphead

Titel: Pulphead Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Jeremiah Sullivan
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könnt ihr nicht singen.« Er nahm sie mit auf den May Pen Cemetery (denselben Friedhof, auf dem während der Dudus-Ausschreitungen heimlich Leichen vergraben worden sein sollen) und forderte sie auf, zwischen den Gräbern zu singen, er argumentierte: »Wenn ihr euch traut, für Duppy zu singen [ein karibischer Geist], macht euch das Publikum keine Angst.«
    »So ein Lehrer war er«, sagte Bunny. »Das hat uns Mut eingetrichtert.« Er erwähnte, dass er seit 1969, in all den Jahren, in denen er auf Tour war, »bei der Arbeit nie mit einer Frau Sex gehabt hatte«. Er erklärte uns seine Theorie, nach der sich die Energie eines Mannes in seinem Sperma sammelt. »Wenn du kommst, kannst du mehr als zwei Kilo verlieren.« Er ermutigte mich, mich beim nächsten Mal anschließend zu wiegen.
    » Du verlierst vielleicht zwei Kilo«, sagte Llewis. Bunny lachte.
    Er wurde langsam müde. Nach all den Geschichten aus der Anfangszeit schien es mir seltsam, dass Bunny schon Mitte sechzig war. Weil Peter und Bob und Joe Higgs und so viele andere nicht alt geworden waren, erwartete man das irgendwie auch von Bunny nicht. Er sieht aus wie ein Rastafari-Hexer. Er wird noch lange leben; er hat diese Ausdauer dünner Männer. Wie hatte er das geschafft?, fragte ich ihn. Wie hatte er als Einziger überlebt? »Ich vertraue auf den Höchsten«, sagte er. »Jah Rastafari.« Er sagte, wir könnten am nächsten Tag um die gleiche Zeit wiederkommen.
     
    Am Morgen kamen wir wie am Vortag an Bunnys Haus an und klopften ans Tor, doch die Situation hatte sich geändert. Ein älterer Rasta begrüßte uns, er war sehr dünn, mit eingefallener Brust und knotigen grauen Dreads: »Africa love.« Wenn ich darüber nachdenke, galt dieser Gruß vermutlich nur Llewis.
    Bunny könne nicht rauskommen, erklärte der Mann. Er sei in einer wichtigen Besprechung. Wir sollten es später wieder probieren.
    Wir entschieden, uns Trenchtown anzusehen. Auf dem Weg dahin zeigte mir Llewis, wo die verschiedenen Garrisons lagen, welche der PNP und welche der JLP gehörten. Wir fuhren in Richtung Tivoli Gardens, gerieten jedoch in eine Straßensperre und mussten umdrehen. »Er ist von der Presse«, sagte Llewis. »Ich bin von der Presse«, sagte ich. Der junge Polizist sah uns schweigend an. Er wiederholte bloß die Kreisbewegung mit den Fingern, während seine linke Hand auf dem Maschinengewehr lag.
    Die Lage wurde spürbar angespannter, je näher man den Straßen dieses Viertels kam. Dudus' Anhänger wussten nicht, was sie tun sollten. Die jamaikanische Politik ist eine dauerhafte Pattsituation wie in 1984 , die endlos aufrechterhalten werden soll, während sich die Politiker bereichern. Sie weiß nicht, wie sie sich in diesem Vakuum entwickeln soll.
    Ich war, offen gesagt, geschockt, in welchem Zustand der Trench Town Culture Yard war. Er liegt in einem Slum. Das mag ein heikles Wort sein, aber wo statt Fenstern Vorschlaghammerlöcher in den Wänden sind, wo Frauen mit ihren Babys auf den Armen auf offener Straße betteln und dafür bezahlt werden wollen, dass man Fotos von ihnen macht, und wo Rudel herrenloser Hunde mit Hautkrankheiten herumlaufen, da ist ein Slum. Direkt am Eingang gibt es jedoch eine hübsche kleine Ecke, im Schatten der Bäume stehen ein paar Bänke. Kolibris. Eine Gruppe Rastas hing dort herum. Die Luft war ekelhaft süß vom Geruch verbrannten Hanfs.
    Llewis und ich entschieden, dass es eine schöne Geste wäre, etwas gutes Kraut zu besorgen und es Bunny mitzubringen. Er hatte viel mehr Zeit mit uns verbracht, als er gemusst hätte. Bald fanden wir einen jungen Gentleman auf einem Moped, der unseren Wunsch erfüllen konnte. Wir erklärten, für wen es gedacht war – in Trenchtown kennt man Bunny gut. Sie nennen ihn hier »Bunny Wailers«, mit »s«. Man musste nicht erklären, dass er seine Zeit nicht mit trockenem grauen Gras verschwendet, von dem man vier Joints braucht, um überhaupt was zu merken. Der Typ versprach, das beste zu bringen, das er hatte. Ich zahlte gerne etwas zu viel, denn Llewis schien zu glauben, dass der Kerl uns in Bezug auf die Qualität nicht allzu sehr verarschte.
    Als wir zurück zu Bunnys Haus kamen, stand wieder derselbe Rasta am Tor. Jah B tue es leid. Die Besprechung dauere länger, als erwartet. Wir sollten am Abend wiederkommen. Bunny wolle uns treffen, sagte der Mann, aber sie müssten wichtige Dinge besprechen.
    Es war jetzt später Nachmittag. Wir waren betrunken von der Hitze, müde und hatten noch nicht

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